< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 3 Brief 52:    Humboldt an Caroline    Berlin, 11. März 1809   ]


Nässe, Kälte und wieder Hitze in meiner Stube auch nicht einmal
einen Schnupfen zugezogen. Ich sehe auch sehr gesund aus, habe
den elegantesten Perückenmacher in der Stadt und trage die Haare
ins Gesicht gekämmt, worin mich alle Menschen viel hübscher finden.
Da die neuen Uniformen so ungeheuer hohe Kragen wegen der
breiten Stickerei haben, so behaupten die Leute, ich würde meinen
Zopf abschneiden müssen. Aber, liebe Li, davor sei unbesorgt, Du
siehst mich entweder nie wieder, oder mit dem Zopf.
Theodor hat noch immer seine langen Haare, so sehr er auch
dagegen schreit. Vor dem vollen Frühjahr lasse ich sie nicht ab-
schneiden. Denn nach vielem Frost mit Sonnenschein ist nun wieder
Frost mit Schnee gekommen und das geht gewiß noch ein halbes
Jahr so fort. Mit der kleinen Bertha Laroche, die mir bei Theodor
einfällt, haben wir neulich viel Spaß gehabt. Wir waren allein,
und sie hat uns detailliert, wie der Mann aussehen und sein
müßte, den sie heiraten könnte. Sie ist auch darin sehr sonderbar,
daß sie mit viel Bescheidenheit doch auch mit viel Dreistigkeit spricht,
und in ihren eigenen Meinungen aus sich heraus geht, viel mehr
eigentlich als die Mutter. Der Mann sollte denn erstlich und vor
allen Dingen die Haustugend besitzen, nie und unter keiner Bedin-
gung eine Festung zu übergeben, dann sollte er wenigstens sechs
Jahre älter sein als sie, dann von der größesten Vernunft und
Bestimmtheit, dann sollte er ihr immer befehlen und sie wollte
immer gehorchen und endlich sollte es gar nicht möglich sein, daß
ihm eine andere Frau je auch nur im mindesten gefiele. Hättest
Du sie dabei gesehen, mit Augen und Gebärden, so hättest Du
ganz die eisernen Gesetze des Vaters erkannt. Die Mutter
schien die Sache viel weniger streng zu nehmen und lachte sehr,
da ich sagte, dem armen Mann könne es ja nie einen Augenblick
bequem in seiner Haut werden. Die Mutter spricht eigentlich
weniger als die Tochter, aber ich traue ihr eine gewisse Tiefe zu.

                                                                       110