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[ Band 3 Brief 52: Humboldt an Caroline Berlin, 11. März 1809 ]
52. Humboldt an Caroline Berlin, 11. März 1809 Ich habe seit meinem letzten Brief an Dich, teure Seele, keinen von Dir. . . . Gestern abend war beim hiesigen Gouverneur, Ge- neral L’Estocq ein großer Ball zum Geburtstag der Königin, in dem jedermann, was sonst jetzt hier, wo man in Stiefeln an Hof geht, unerhört ist, in größter Gala war. Hättest Du mich gesehen, hättest Du Dich gewiß sehr geärgert. Ich war in meiner neuen Uniform, die ich nun einmal gegen meine alte äußerst häßlich finde, und in die für mich recht mit fatalen Stichen eingestickt ist, daß ich hier in diesen langweiligen Mauern bleiben muß. Übrigens war ich der einzige in meiner Pracht. Denn da Sack *) zufällig nicht hier ist, so bin ich das einzige Tier meiner Art jetzt hier und wenn Dich das trösten kann, wirklich allein der erste Mensch im Zivil hier. Über die Rückkehr des Königs herrscht noch immer Un- gewißheit, was für mich tötend ist, weil alles in meinem De- partement durch diese Abwesenheit gelähmt wird. Dohna schreibt mir alle Woche, aber woran es eigentlich liegt, erfährt man nie recht deutlich. Soviel nur ist gewiß, daß vieles noch ungeheuer verwirrt zugeht, und das oft mehr Mühe macht, als die Sachen selbst. Ich habe, wie Du denken kannst, viel zu tun, aber auch viel Hilfe in und außer dem Hause. Im Hause meistenteils die Menschen täglich. Also ermüde ich mich nicht sehr, sondern spreche und diktiere nur, und schreibe sehr wenig. Auch gehe ich dabei, was ich, selbst wenn ich es wollte, nicht vermeiden könnte, viel aus, und so brauchst Du für meine Gesundheit nicht besorgt zu sein. Grapengießer, der auch wie Kohlrausch oft krankt, schreit über meine nicht zu affizierende Konstitution. Wirklich haben mir ——— *) Sack, Oberkonsistorialrat, Mitglied der Kultussektion. 109