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[ Band 3 Brief 29: Humboldt an Caroline Weimar, den 1. Januar 1809 ]
saugrob (im Wunderhorn heißt es sauhöflich) geworden. Werner hat sich zurückziehen müssen, und obgleich er die Versöhnung durch die Frau versucht hat, mit der er gestern abend auf dem Ball ge- walzt hat, so kommt sie so leicht gewiß nicht zustande. Goethe ist seitdem so wild geworden, daß er Carolinen und mir noch heute im Eifer versicherte, auch jede gemalte Madonna sei nur eine Amme, der man die Milch verderben möchte (höchsteigene Worte) und die Raphaelschen stäken im gleichen Unglück. Er treibt jetzt den Haß so weit, daß er nicht einmal mehr leiden will, daß eine irdische Frau ihr Kind selbst im Arm haben soll. Ist das nicht komisch? Aber es ist auch wirlich wahr, daß der Mystizismus so schrecklich getrieben wird, daß man auf solche Übertreibungen fast in halbem Ernst kommen kann. Werner behauptet, jede Tragödie müsse eine religiöse Handlung sein, doch ist er sonst interessant und ein guter Mensch, und Goethes Ausfall tut mir wirklich leid. Er ist jetzt bei der Staël gewesen, die ihn sehr goutiert hat. Er denkt nach Rom zu kommen, und Du wirst ihn also auch sehen. Meine Ernennung steht schon in den Zeitungen, daher schreibe, wie die Leute schreiben: An den Geheimen Staatsrat. Was ich den Titel hasse! Adieu, innigliebe Li. Ewig Dein H. 30. Humboldt an Caroline Erfurt, 4. Januar 1809 Ich, liebes Herz, bin auf meiner Abreise von hier, und heute über acht Tagen vermutlich schon in Berlin. Die Ent- scheidung unseres Schicksals ist jetzt da. Ich habe die offizielle Mitteilung von meiner Bestimmung zum neuen Posten bekommen. Sie ist sehr höflich, mit vielen Lobsprüchen und nicht 61