< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 3 Brief 28:    Caroline an Humboldt     Rom, den 31. Dezember 1808   ]


Unterricht, den sie von Crelius bekommen, weiß sie die Hauptstädte
aller Länder, und Adelheid hat letztens von selber spielend eine
Karte von Schweden und Norwegen gezeichnet, die mich sehr
frappiert hat, und zu der sie niemand aufgefordert hatte.
Laß es Dir ja nicht leid sein, daß ich guter Hoffnung bin,
ach nein, ich bitte Dich, glaube nur, seit Gustavs Tod war es
mein einziger Wunsch, meine liebste Hoffnung. Ich hatte eine
solche Sehnsucht nach seinen holden Augen, nach dem Lallen seiner
lieben Kinderstimme, nach dem Liebkosen seiner Händchen behalten,
daß ich oft, oft geglaubt habe, mein Herz müsse brechen. Ich
habe bis auf den letzten Tropfen diesen bittern Leidenskelch aus-
geleert — ein Gott der Güte wird ja jetzt erbarmend sein.
Ich umarme meinen lieben, lieben Herzens-Theodor und Dich!—


29. Humboldt an Caroline              Weimar, den 1. Januar 1809

Ich bin heute morgen im offenen Schlitten von Rudolstadt
gekommen, bin dann den ganzen Tag am Hof und in
der Stadt auf den Beinen gewesen und jetzt noch eine
Stunde lang von Riemer abgehalten worden, daß es in wenigen
Minuten Mitternacht schlagen wird. Ich bin schrecklich müde,
aber ich muß Dir doch noch, liebe gute Li, einige Worte sagen, und
ich schlafe süßer, wenngleich das Schreiben die tiefe Sehnsucht
nur schlecht beschwichtigt, wenn ich Dir noch ein paar Zeilen ge-
schrieben habe. Ich trete, ich leugne es nicht, mit weher Bangig-
keit in das neue Jahr ein; wie die starre, beeiste Natur, die ich
heute unterwegs, so weit mein Auge reichte, übersah, blickt mich
das an, was meiner darin wartet. Ach! es wird vielleicht enden,
ohne daß ich Rom, ohne daß ich Dich sehe! Wenn aber Du nur

                                                                       58