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[ Band 3 Brief 27: Humboldt an Caroline Weimar, den 28. Dezember 1808 ]
dem Kontrast der beiden ungleichen Brüder, des kalten, rastlosen, gewerbfleißigen Prometheus und des empfindsamen, unglücklichen und müßigen Epimetheus. Dieses letzteren Frau ist Pandora ge- wesen, die ihn verlassen hat. Er hatte mit ihr zwei Töchter, Elpore (Hoffnung) und Epimeleia (Fürsorge). Beim Scheiden hat sie ihn genötigt zwischen beiden zu wählen und eine zu behalten, eine ihr zu lassen. Er hat Epimeleia gewählt. Nun erscheint ihm Elpore nur von Zeit zu Zeit auf Augenblicke. Das Neue und Schöne ist, daß alle Urtöne der Leidenschaften, der Gefühle, alle Elemente der menschlichen Gesellschaft darin vorkommen, und mit einer Reinheit, ja man kann sagen Nacktheit dargestellt sind, daß daraus selbst eine ungeheure Größe hervorgeht. Dann ist die Sprache, die in den verschiedensten Silbenmaßen abwechselt, himmlisch. Wenn ich kann, lasse ich Dir bis morgen noch etwas daraus abschreiben. Goethe selbst hat mich ausdrücklich gebeten, Dir etwas davon zu schicken. Mit des armen Schillers nachgelassenen Papieren beschäftige ich mich des Morgens mit der Wolzogen. Es ist höchst merkwürdig, zu sehn, wie, mit welcher Sorgfalt er gearbeitet hat. Der Plan mehrerer Stücke ist sehr ausführlich da, von einem besonders, von dem auch zwei Akte ausgearbeitet sind. Demetrius, eine russisch-pol- nische Geschichte. Ein Monolog, das letzte, was er schrieb, ist sehr schön. Noch im Delirium seiner Krankheit hat er sich unglaublich viel mit dem Stück beschäftigt, und einige seiner letzten Worte sind gewesen: »Ist das euer Himmel? ist das eure Hölle?« Es ist zweifelhaft, ob er dies in eigener Wahrheit, oder wie im Stück gesagt, doch hat er überaus heiter und verklärt dabei ausgesehn. Er bleibt der größte und schönste Mensch, den ich je gekannt; wenn Goethe auch noch dahin geht, dann ist eine schauerliche Öde in Deutschland. Doch ist der jetzt überaus wohl. Das Jahr schließt schlimm, liebe Teure; es ist zwar nichts 54