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[ Band 3 Brief 26: Humboldt an Caroline Erfurt, den 24. Dezember 1808 ]
Auf dem Ball gestern habe ich wieder die alten Gesichter wiedergesehen, und was das wunderbarste ist, so sind Sitten und Kostüme noch ziemlich die nämlichen. Ach, aber die Zimmer. Die große Fensterembrasure *) in der mittelsten Stube rechts, alles hat mir unendliche Erinnerungen gegeben, schmerzlich und süß. Es waren bessere Zeiten, in denen man so harmlos umherging, ohne zu ahnden, was sie im Schoße trugen. In derselben Stube hat mir der Koadjutor **) einmal gesagt, ich würde noch einmal in große Unruhe und Bewegung kommen. Ich hoffe, er hat nicht in prophetischem Geist gesprochen, da niemand so die Ruhe liebt und so wenig sich selbst vertraut als ich. Adieu, liebes, teures Kind. Ich gehe morgen nach Weimar. Ewig Dein H. 27. Humboldt an Caroline Weimar, den 28. Dezember 1808 Ich bin seit dem ersten Weihnachtsfeiertag hier, liebe Li, und wohne bei Goethe, der Dich sehr grüßt und oft mit recht eigentlicher Liebe von Dir spricht. Caroline sehe ich alle Morgen, da ich meistenteils bei ihr frühstücke und so geht mir das Leben so hin, daß mir zum Schreiben recht wenig Zeit übrig bleibt. Ich habe erst hier Goethes neustes Produkt, Pandoras Wiederkunft, kennen gelernt. Er hat es uns bei Carolinen vor- gelesen. Es ist erst die Hälfte fertig, in welcher nur erst die weg- gegangene Pandora betrauert wird. Von dieser Hälfte ist wieder etwa die Hälfte in einem Journal »Prometheus« gedruckt, die an- dere noch Manuskript. Es ist eine der wunderbarsten Produktionen, aber der allerschönsten und größesten. Die Hauptsache beruht auf ——— *) In der Humboldt sich 1789 mit Caroline verlobte. **) Dalberg. 53