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[ Band 3 Brief 26: Humboldt an Caroline Erfurt, den 24. Dezember 1808 ]
nehmen. Nun hat er uns gestern abend alle alten Sachen von Papa, Nachtkamisöler, Westen, ganz zerrissene Hosen, Manschetten und Gott weiß was in die Stube gebracht und nach langen und großen Debatten, ob dieses oder jenes Zitz oder Kattun, Nesseltuch oder Batist, zerrissen oder noch zu tragen sei, ist denn das große Werk vollbracht worden. Dabei versicherte Papa immer, die ganze Arbeit sei unnütz, weil Dunker doch die ganze Garderobe erbe, und nun entstand ein Streit, wer zuerst sterben würde, kurz eine wahre Komödienszene. Du wirst Dich vielleicht wundern, liebe, teure Li, und würdest Dich noch mehr wundern, wenn meine ganze Lage Dir deutlich zu beschreiben wäre, wie ich noch so viel Heiterkeit übrig behalten kann, das Komische dieser Situation zu fühlen. Aber wie herzlich ich mich auch nach Dir sehne, wie unruhig ich über Dich und unsere Zukunft bin, das Lachen und Bemerken harmloser Lächerlichkeiten ist nun einmal Alexandern und mir so eigen, daß uns daran nichts, noch so Ernstes, hindern kann. Der Marschall Davout, Herzog von Auerstädt, ist jetzt hier und gab gestern einen großen Ball zu Ehren des Geburtstags des Königs von Sachsen. Ich nahm Theodor mit, weil den Zeiten und seinen Anlagen nach es mir einmal scheint, daß er für die Welt und nicht wie Alexander und ich für die Studierstube erzogen werden muß. Ich habe mich überhaupt und besonders beim Essen mit Fleiß scheinbar nicht um ihn bekümmert, aber von fern auf ihn acht gegeben. Er war mit fünf, sechs Offizieren, französischen und polnischen, die ihm viel zutranken, er hat aber nicht einen Tropfen mehr genommen, als ihm zuträglich war, und ist so ver- nünftig und kalt geblieben als ich. Am Ende des Balles nahm mich der Herzog in eine andere Stube und ich blieb bis gegen 4 Uhr bei ihm. Theodor ist 1 1/2 Stunde früher mit den Offizieren nach Hause gegangen, ohne daß ich ihm etwas gesagt habe, und hat sich auch da sehr gut benommen. 52