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[   Band 3 Brief 25:    Humboldt an Caroline    Erfurt, den 21. Dezember 1808   ]


vorzüglich bei Frauen eine Regsamkeit und Grazie, die tief genug
im innersten Gemüt gegründet sind, um nicht bloß wie ein Hauch
der Phantasie mit der Jugend zu verduften. Auch da rettet vor-
züglich tiefe und echte Weiblichkeit. Sie wächst mit ihren Kindern
fort, erneuert sich im zarten Alter der Nachgeborenen und erhält sich,
indem sie sich ihrer selbst entäußert. Aber unendlich wenige sind des
Muttergefühls in seinem ganzen Umfange fähig, die einen erreichen
nicht seine Höhe, die anderen nicht seine Einfachheit. Die Fürstin
von Rudolstadt ist, außer Carolinen, die einzige recht belohnende
Gestalt, die ich bis jetzt in Deutschland gesehen habe. Ich glaube
sie hat, vorzüglich durch den Drang der Zeit und ihr Alleinstehen,
gewonnen. Sie hat eine große Festigkeit, eine Selbstbeherrschung,
die doch mit sehr viel Milde verbunden ist, und einzelne Worte,
die sie sagt, zeugen von wirklich tiefem und in den Charakter über-
gegangenem Nachdenken.
Lebe innigst wohl. Grüße alles. Ewig, ewig Dein H.


26. Humboldt an Caroline           Erfurt, den 24. Dezember 1808

Du hättest mir kein lieberes Weihnachtsgeschenk machen
können, liebste Li, als durch Deinen herzlichen Brief vom
30. November. . . .
Gestern, teures Wesen, hättest Du sehr gelacht, wenn Du
hättest hier sein können. Caroline behauptete, es müßte noch ihre
Korrespondenz mit Dir hier sein, und ich suchte alle Kuffer und
Kisten vom Keller bis zum Boden durch. Es fand sich nichts,
aber ein Kuffer, zu dem niemand den Schlüssel kannte. Ich ließ
den Schlosser kommen, und siehe da, es war eine ganze Damen-
garderobe darin, von noch gar nicht getragenem Kattun, schön ge-

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