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[ Band 3 Brief 20: Caroline an Humboldt Rom, den 10. Dezember 1808 ]
selbst. Ach, aber wie tief haben die vier Strophen von dem Faust mich ergriffen! Es sind einige Worte darinnen, die einem das Allerschmerzlichste in dem Busen aufregen. »Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage des Lebens labyrinthisch irren Lauf«. — Dann die »ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang« und dann die ganze letzte Strophe. Es hat mich bis zu Tränen ge- rührt, und ich wünsche sehr den ganzen Faust zu haben. Daß Theodor so gut ist, so viel Beifall findet und auch seine Schönheit gelobt wird, erfreut freilich das Mutterherz sehr. Die Wolzogen kann ich mir in ihrer geistigen und körperlichen Wohl- habenheit denken. Der arme Mann wird wohl auf die Art nicht lange leben, ich fühle etwas Peinliches in seiner physischen Existenz. Lebhaft hat das Gespräch des Kaisers mit Goethe mich interessiert. Der un- geheure Verstand des Menschen geht glänzend daraus hervor. Man muß doch auch bedenken, daß seine Erziehung und Bildung und Lebensgewohnheiten alle französisch sind, und seine Kenntnis eines deutschen Buches nur durch Übersetzung in ihn kommen kann. Fernows Zustand schmerzt mich ungemein. Der Unglückliche! Wie schwer macht die Natur doch manchem das Aufhören des Seins, und andern löst sie so sanft die Fäden, die das Leben zusammenhalten. Seine Frau hat ein furchtbar Schicksal gehabt, wie oft mag sie sich dumpf und schwül nach dem freundlichen Himmel ihres Vaterlandes gesehnt haben. Vier Hannoveraner sind kürzlich angekommen. Alles junge Leute von 22—25 Jahren, du kannst denken, daß Kohlrausch in seinem esse mit den Landsleuten ist. Es werden deren noch mehr erwartet. Der eine der Hannoveraner ist ein junger Mensch namens Kästner, ein Sohn der berühmten Lotte. Adieu Geliebtester! 42