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[ Band 3 Brief 19: Humboldt an Caroline Erfurt, den 7. Dezember 1808 ]
Von den Plünderungen hört man überhaupt die wunderbarsten Geschichten. So z. B. hat sich ein General Schmettau den Tag der Schlacht von Jena, nachdem er mit drei Kugeln verwundet war, zur Stein in Weimar geflüchtet. Als die Plünderer gegen Morgen in ihr Haus drangen, lief sie zu einem französischen General in der Nähe, den sie noch im Bette fand, der ihr aber wirklich, nur zu spät, Hilfe leistete, und indes hatte sich der auf den Tod ver- wundete General, der doch wohl nichts zu besorgen hatte, ganz allein an einem Bettuch zum Fenster hinaus auf die Straße hinuntergelassen. Er starb zwei Tage darauf. Ich habe diesmal bei Goethe gewohnt, und er war außer- ordentlich freundschaftlich, vertraulich und herzlich. Ich bewohnte eine seiner sogenannten Putzstuben im ersten Stock, und Theodor mit Zimmermann eine mit einer Kammer im zweiten neben Riemer *). Die Händel mit dem Theater dauern noch immer fort und haben dem armen Goethe nun schon volle vier Wochen Unruhe gekostet, in denen er schlechterdings nichts hat vornehmen können. Er möchte es dahin bringen, daß Oper und Schauspiel getrennt und letzteres ihm allein überlassen würde. Allein der Herzog wird diesen Vertrag schwerlich eingehen, und vermutlich geht Goethe ganz vom Theater, das dann in weniger als nichts zerfallen wird, ab. Vermutlich gewinnt aber dann dabei das Publikum. Denn er freut sich schon jetzt, dann mehr arbeiten zu können, und denkt auf eine Fort- setzung der natürlichen Tochter, zu der schon alles fertig liegen soll. Die Geheimrätin, die jetzt von Frankfurt a. M., wo sie wegen des Nachlasses der verstorbenen Mutter Goethes war, zurückgekonnnen ist, ist ein ganz leidliches Wesen, und Goethe tut alles, um zu machen, daß die Weimarschen Damen mit ihr umgehen sollen. Caroline tut es ohne Anstand, da sie mit Recht sagt, daß ——— *) Bibliothekar in Weimar, seit 1803 Goethes Hausgenosse. 40