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[ Band 3 Brief 17: Caroline an Humboldt Rom, den 30. November 1808 ]
17. Caroline an Humboldt Rom, den 30. November 1808 Deine Briefe von Bamberg und Erfurt, die ich gestern abend zusammen erhielt, haben mich auf das freudigste überrascht, teuerster Wilhelm. So bist Du denn ohne Unfälle über den düsteren Thüringerwald gekommen, und den Abend vor Gustavs Todesnacht, wo Du vorig Jahr so hülfreich und wachsam warst, bei Papa angekommen. Du hast in zwei Worten mir ein Bild des ganzen Hauses und Wesens hingeworfen, und mich schauderte eigentlich, wie ich von dem Zimmer mit dem ewig blutenden Hirsch hörte. Die alte Madame *) saß in dem Moment wieder auf ihrem Thron, und meine unterdrückte, freudlose Jugend ging blitzschnell vor meinen Gedanken vorüber. Aber dann kam auch die Erinnerung des Erwachens schönerer Gefühle in mir, und aller der Hoffnungen, die Du so schön erfüllt hast. Es ist mir ein großer Trost, daß Du Papa beruhigst und seine unsäglichen Weitschweifigkeiten aplanierst, aber eigentlich bedaure ich Dich in meiner tiefsten Seele unaussprechlich über den Ennui, den ich mir grenzenlos vorstelle. Papa hatte mir über Goltz’s Äußerungen nicht so beunruhigend geschrieben. Ich meine, Du wirst wohltun, nicht zu lange in Erfurt zu bleiben, falls der Hof nach Berlin zurück- kommt, wie die Zeitungen es verheißen. Daß wir am liebsten hier bleiben, darüber sind Du und ich einig — die Mittel sind durch die Zeitumstände schwierig, bis jetzt aber, wie es mir scheint, noch nicht unmöglich geworden. Der Papst existiert noch in der Relation, in der es allen Fürsten, die katholische Untertanen haben, wichtig ist, daß er existiere, und träte dieser letzte Fall auch ein, so bleibt ein Hof in Neapel, und Italien bleibt ein so großes, und da es doch eigentlich unter einem Herrscher jetzt vereinigt ist, ein so wichtiges Land, daß es keinem deutschen König unwichtig sein kann, ——— *) Madame Dessault, Gouvernante Carolinens. 35