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[ Band 3 Brief 15: Humboldt an Caroline Erfurt, den 26. November 1808 ]
Hause wegnähme, was still und unbemerkt von Dir ausgeht, so wäre auf einmal namentlich den Kindern, wie ein zarter Hauch, alle Lieblichkeit, alle Tiefe, alles Schöne genommen. Wenn alle unsere Kinder, bei ganz verschiedenem Charakter, unverkennbar viel Gemüt haben, so rührt das allein davon her. In dieser Art so mächtig aber wirkt nur der, der selbst ein Gemüt hat, das durchaus an dem wahrhaft Schönen in der Natur hängt, und sich nicht blos seiner Gegenwart lebendig erfreut, sondern auch sein Entbehren schmerzlich empfindet. Kaum Einer unter Tausenden ist die Stärke gegeben, welche die hohe Grazie auch des weiblichen Gemütes er- heischt, und die dennoch seine Zartheit ungekränkt läßt. Schon für Theodor ist mir jetzt manchmal sehr bange, daß er selbst durch kurze Abwesenheit von Dir mehr verliert, als er sonst durch andere Umstände gewinnen kann. Indes tue ich was ich kann durch eigenen Umgang mit ihm, um es zu verhindern. Er wird Dir in seinem nächsten Brief vielleicht über viele Arbeiten klagen, aber sei überzeugt, daß er nicht zuviel tut. Ich lasse ihn regelmäßig den Tag sechs Stunden arbeiten, also nicht mehr als in Rom, und gewiß nicht mehr, als unumgänglich notwendig ist. Auch muß ich wirklich Theodor sehr loben. Aber bei aller Artigkeit habe ich immer eine schreckliche Angst, daß er und ich hier nach und nach ganz einfältig werden und es nur gegenseitig nicht merken. Dein Vater ist wirklich unendlich gut und dankbar und freundlich, und ich geniere mich mit Fleiß ganz nach ihm und bleibe länger hier, um ihm Freude zu machen. Aber die Ein- förmigkeit, die zur Verzweiflung bringende Ordnung und Zer- splitterung des Tages! Ich habe regelmäßig drei Sitzungen täglich unten bei ihm, um Punkt 1 zum Essen, um 3 Uhr nach seinem Mittagsschlaf und um 7 zum Abendessen oder Tee. Von Geschäften fange ich immer an zu reden, aber er kommt gleich auf ganz 30