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[   Band 3 Brief 15:    Humboldt an Caroline    Erfurt, den 26. November 1808   ]


Mensch freilich läßt sich davon so reden, ganz vielleicht allein
mit Dir, liebe Li, die Du für das innere und hohe Schöne Un-
bequemlichkeit, Beschwerde und Schmerz nicht achtest, und nur an
ihm selbst, nicht an seinen einzelnen momentanen Erscheinungen
hängst. 
Caroline und besonders Goethe, der es kannte, fühlen wohl
beide, was ich hier sagte. Aber sie setzen noch auf tausend Dinge
nebenher Wert, können sich von einer Menge Kleinigkeiten nicht
losreißen, und leben doch auch mehr in der äußeren, dort freilich
durch mancherlei Umstände gehemmten Produktion. Was Goethen
betrifft, so ist nicht zu leugnen, daß er nicht gerade das beste
seines Genius während seines italienischen Aufenthalts aussprach.
Es mag freilich sein, daß er nicht lange genug dort war, aber —
wir sprachen noch selbst bei Carolinen mit ihm davon — Werther,
Egmont, Faust wären nie, auch von ihm, in Italien entstanden.
Es ist wohl möglich, daß Werke, die aus vollkommener Harmonie
des Geistes in sich und mit der Natur hervorgehen, nur noch in
der Kunst, nicht mehr in der Poesie möglich sind, und ein energischer
und doch wohltätiger Zwiespalt kann in schönen Himmelsstrichen
kaum gedacht werden, da die Unvollkommenheit, die im Norden nur
die physische Natur trifft, und den Menschen als Unglück drückt, in
jenen auf ihn, als Schwäche oder als Schuld zurückfällt. Aber der
Mensch ist noch viel mehr bestimmt, aus der Natur zu ziehen, was
sie zu geben vermag, und es nun ohne bestimmtes Wollen aus sich
zurückzustrahlen, wie die Lilien des Feldes wachsen und blühen,
unbekümmert ob man sie anschaue oder nicht, und der dadurch ver-
breitete Segen ist eigentlich der, welcher das Hohe in der Menschheit
erhält.
Ich habe es so oft gedacht; Du, Liebe, hast es z. B. gar
nicht an der Art, mit mir, mit den Kindern, mit anderen viel einzeln
zu treiben und zu wirken, aber wenn man auf einmal aus dem

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