< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 3 Brief 15:    Humboldt an Caroline    Erfurt, den 26. November 1808   ]


in den lästigen oder schmerzlich bewegten Momenten des Geistes,
und das bleibt für mich, seit ich es einmal recht erkannte, ewig der
Anblick und die Erinnerung Roms. Auch habe ich, wenn ich gleich
scheinbar wenig da tat, viel da gewonnen. Ich war vorher schwächer
in meinem Wollen, unbestimmter, leichter ohne Not verdrießlich oder
melancholisch, und es schmerzt mich noch oft sehr bitter, daß ich
Dir vielleicht dadurch manchmal das Leben erschwert habe. Du
warst nur so gut, liebe Seele und trugst mich so geduldig. Durch
den Aufenthalt in Rom bin ich viel bestimmter geworden, und alles
hat sich klarer und reiner in mir geschieden; ich habe mehr gelernt
fest zu wollen, oder rein aufzugeben und bin dadurch ruhiger und
glücklicher in mir, und milder, als ich sonst oft war, gegen andere
geworden, und das, was in sich nicht tiefer und inniger werden
konnte, weil es wirklich sich immer gleich blieb, meine Liebe zu Dir
und den Kindern, hat mir einen mehr lauteren und schöneren Ge-
nuß gewährt. Was man in dieser Art einmal gewinnt ist aller-
dings unverlierbar. Allein dennoch leugne ich nicht, daß ich mich
vor der Möglichkeit, dauernd hier bleiben zu müssen, fürchte.
Könnte ich ein, zwei Jahre eine bedeutende Tätigkeit ausüben und
dann dorthin zu Dir zurückkehren, so finge ich es mit Mut an. Aber
wenn das Handeln keine Wichtigkeit hat, oder doch nur moment-
weise und in weit entfernter Epoche, wenn nur das Hinrinnen des
Lebens, wie es mit uns in Rom war, das eigentlich Bedeutende
ist, dann ist es schrecklich, das schönere, ja das einzig schöne Element
gekannt und genossen zu haben und nun zu entbehren. Vielleicht
wäre sogar die Entbehrung allein noch das wenigste; aber ob es
nur möglich sein mag, sich zu erhalten, ohne an Fähigkeit des Ge-
nusses und des Empfindens zu verlieren? Wirklich ist es schwer,
so wenig an die Kraft des Schönen, oder so sehr an seine eigene
zu glauben, um Himmel und Umgebung aus übelverstandenem
Selbstvertrauen mit Gleichgültigkeit zu vertauschen. Mit wenig

                                                                       28