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[ Band 2 Brief 112: Caroline an Humboldt [Paris], Sonntag morgen, 21. Oktober 1804 ]
Herz, und gemeine Menschen werden glauben, daß ihr Verlust Dir darum weniger empfindlich sein wird, aber Du scheust wie ich keinen Schmerz, und Du hast nun auch weniger ihr Bild voll süßer Un- schuld und Liebe in Deiner Seele, und Du erkauftest es nicht zu teuer. Ach Wilhelm, ich komme nicht reicher zurück, ärmer — mit so heiligen Hoffnungen ging ich hinweg, fühlte ihr zartes Leben in meinem Schoß, und in dem trüben Winter an Theodors Krankenbett, mit dem töd- lichsten Schmerz um Wilhelm im Herzen, hat sie mein Leben erhalten. Und ich konnte das ihre nicht halten. — Mittwoch Liebster Wilhelm, die Tage gehn wieder so dahin, und ich bin heute zum erstenmal wieder aufgestanden. Kohlrausch hat mich außerordentlich gut und einfach behandelt, ich habe nie so wenig gelitten. Aber wie einsam ist mir mein Haus, wie verödet Paris! Sie ist mir hinweggenommen, die das Licht und die Freude meines Lebens war, die mir wie ein Segen gegeben zu sein schien. Ich würde sogleich abgereist sein, wenn meine und Theodors Gesund- heit es verstattete. Allein Kohlrausch meint, ich müsse mich durch- aus sehr schonen, und bei Theodor ist nun das rechte Auge wieder schlimm, und ich fürchte sehr, es nimmt denselben Gang wie das linke, obgleich bei diesem gewiß vom ersten Moment an nichts vernach- lässigt worden. Während er mit dem schlimmen Knie im Bett lag, fing die Entzündung an, und Kohlrausch ließ ihn in meine Schlaf- stube seit dem vorigen unglücklichen Donnerstag legen, und er kommt mir Tag und Nacht nicht einen Moment aus den Augen. Caroline ist immer die alte. Beide Kinder haben den Tod des geliebten kleinen Mädchens tief empfunden. Ich habe wohl gleich daran gedacht, sie mitzunehmen, um sie neben ihrem schönen Bruder begraben zu lassen. Die Kosten des Einbalsamierens hätte ich nicht gescheut und einen großen Trost darinnen gefunden, sie nicht in diesem fremden Boden zu lassen, aber ich vermochte nicht meinen Widerwillen gegen das 270