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[ Band 2 Brief 103: Humboldt an Caroline Marino, 11. September 1804 ]
seine Kinder immer nur aus reiner anspruchsloser und uneigennütziger Liebe handelt, der kann ihnen nur Glück geben, wenn sie früh oder spät mit Freude diese Liebe erkennen. Das Unglück, und wäre es sogar reine Folge seiner gutgemeinten Handlungen, lege er ruhig in die Hand des Schicksals und freue sich, es zu dürfen, denn auch das Schicksal kann nur eine wohltätige Macht sein, und aller wahre Schmerz ist nur eine Dumpfheit, die sich nach der Freiheit sehnt, deren künftigen ungestörten Genuß sie mit Sicherheit ahndet. Verzeih, liebe Li, daß ich mich meinen Gedanken überlasse, da ich Dir von mir, von den Kindern erzählen könnte. Aber was mich so oft, so unaufhörlich im Inneren bei meinen einsamen Spaziergängen bewegt hat, das kommt mir von selbst zurück, wenn ich mit Dir rede, die Du so innig mit mir empfindest und handelst. Ich habe wirklich an Sicherheit meiner inneren Überzeugungen in diesem Sommer sehr zugenommen. Ich hatte lange nicht eigentlich die Natur genossen, und nun ergriff mich hier auf einmal eine so wundergroße und magisch reizende. Könnte ich Dir nur die Sonnenuntergänge hin- zaubern. Mir ist es jetzt zum Bedürfnis geworden, sie zu sehen; ginge ich auch gar nicht aus, so bin ich in der Stunde gewiß nicht in der Stube; und habe ich in Rom auch noch so viel zu tun, so liege ich da im Fenster. Ich denke dann an Dich, an die Kinder, daß wieder eine Nacht mich dem Augenblick näher bringt, wo ich mich von Eurer Liebe umgeben fühle. Ich liebe auch darum die italienische Uhr; ach! überhaupt, liebe Li, Du wirst mich unge- heuer italienisch wiederfinden, davor fürchte ich mich ordentlich. Alexander muß doch nun endlich angekommen sein. Du wirst nun aus meinem Briefe gesehen haben, daß mein Plan ist, daß er von Paris gerade nach Berlin geht. Ich habe es einigermaßen leise sagen müssen, damit er nicht denkt, daß ich ihn weniger gern in Rom sehe. Wie nah wir auch verbunden sind, kann er weniger fühlen, daß ich einen eigentlichen Genuß habe, mit ihm zu leben, 247