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[   Band 2 Brief 103:    Humboldt an Caroline    Marino, 11. September 1804   ]


Blinden getappt und wärst dem Schicksal selbst und dann wirklich
mit Schuld entgegengegangen.
Glaube mir, liebe Li, das ist das eigentlich Geheimnisvolle, Furcht-
bare, aber auch Wohltätige in des Menschen Existenz, daß er und das
Schicksal in zwei verschiedenen Sphären wandeln, die er aber doch,
nur in unabsehbaren Fernen, vereinigt erblickt oder ahndet. Der
Mensch muß nie nach etwas anderem als nach der Notwendigkeit des
Augenblicks handeln; der Erfolg muß ihn unbekümmert lassen; wenn
den alsdann das Geschick zu einem großen Glück oder einem großen
Unglück lenkt, dann führt ihn Schmerz oder Genuß in eine unbekannte
Region ein, dann erkennt er eine ihm unerreichbare und doch ver-
wandte Macht, entdeckt Kräfte in sich, die ihm wirklich bis dahin fremd
waren, zu verknüpfen, was sonst widerstrebend schien, Gewißheit zu
fühlen, wo er sich nur Ahndung erlaubte. So bildet sich das, wo-
rauf alle innere Größe und alles innere Glück beruht: der un-
widerstehliche Hang, sein eigentliches Dasein nur da zu suchen, wo
sich die recht tief empfundene Wirklichkeit in Unendlichkeit auflöst;
und im handelnden Leben die Ruhe und Besonnenheit, die sich in
jeder Lage nur nach demjenigen bestimmt, was der Moment und
die Vernunft gebieten; und aus dieser Festigkeit des Handelns und
der Ruhe jenes Daseins geht die Kraft hervor, der auch der Glückliche
bedarf, das Leben zu ertragen, den Zwiespalt des Geschicks mit den
Wünschen der Brust selbst noch zu einer neuen Quelle, wenn nicht
des Glücks, doch des Genusses selbst im Schmerz, und wenigstens
immer größerer und tieferer Gefühle zu machen. Dem eigenen
Vorwurf kann daher der Mensch nicht entgehn, wenn er handelt,
wie er nicht soll; aber Veranlassung eines Erfolges kann er nie
sich nennen, und das ist wirklich eine der größesten Wohltaten des
Himmels, unsere Handlungen gleichgültig gemacht zu haben für den
Weltlauf und nur wichtig für die innere Ansicht und die innere
Zurechnung. Wer wie wir, und vor allem wie Du, teure Li, gegen

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