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[ Band 2 Brief 99: Humboldt an Caroline Marino, 29. August 1804 ]
Fußsteig, aber da der Kanonikus immer glaubte, gleich die Mauer wiederzufinden, so arbeiteten wir uns geduldig mit manchem blutigen Riß durch die Dornengebüsche durch. Aber alles Arbeiten war vergeblich, wir kamen dicker und dicker hinein, und die Nacht brach an. Wir hielten Rat, gingen nach allen Seiten, aber keiner von uns wußte mehr Weg noch Richtung, und wenn wir auch die letztere an den Sternen sahen, so verlor man sich gleich beim Hin- und Her- drehen in dem Dickicht. Endlich kamen wir auf einen leeren Fleck wie eine Stube groß, wo ein alter Baumstamm lag, der ein sehr natürliches Kanapee abgab. Wir ruhten da ein wenig aus, hörten fast die Leute in Marino sprechen, waren aber so von Dorngebüsch eingeschlossen, daß der Kanonikus versicherte, es sei vergeblich, wir müßten die Nacht da bleiben. Ich setzte mich also geduldig auf den Baumstamm und freute mich an dem prächtigen Himmel. Der Foma- haut ging gerade hinter Monte Cavo auf und erinnerte mich deutlich an den Burgörner Kirchberg. Der stets geschwätzige Kanonikus er- zählte mir bei der Gelegenheit, daß ein Wolf in der Nähe sei, der schon viel Esel zerrissen habe, er habe aber ein Messer und einen Dornstock, und es habe nichts zu sagen. Ich hatte zwar nur ein kleines Rohr, das jetzt mein ewiger Begleiter ist, ich dachte aber bei mir, daß er diesen Kampf allein bestehen sollte, ich hätte mich auf einem Baumstamm verschanzt. So blieben wir ruhig, bis der Kanonikus ausrechnete, wir hätten bis zum Tag noch acht Stunden zu warten. Die Betrachtung war zu ernsthaft, ich versicherte ihm also, wir müßten, wie es auch werde, durchbrechen, und so kamen wir wirklich nach unglaublichen Mühseligkeiten und der Kanonikus mit zerlumpten Strümpfen und zerrissenen Händen zu Hause an, wo Wunsch uns eben hatte wollen mit vielen Menschen aufsuchen lassen. Heute früh habe ich um 1/2 4 wieder mit dem Kanonikus einen weiten Ritt nach Ruinen gemacht. Der Kanonikus ist aufs Theater 235