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[   Band 2 Brief 99:    Humboldt an Caroline    Marino, 29. August 1804   ]


Allerdings wäre viel auch für einen anderen Plan zu sagen. Er
könnte nach Berlin von Paris aus, dann von Berlin nach Rom
und von hier nach Madrid gehn. Er käme so kürzer in Berlin ab
und bezeigte doch mehr Eifer. Aber ich habe ihm diesen Plan nur
angegeben. Es war mir ummöglich, ihn eigentlich anzuempfehlen, da
ich ihn dabei später sähe, und auch ihm, wie ich weiß, die Berliner
Reise die widrigste ist. Wer weiß überdies, ob nicht Dich in Paris
zu finden, ihn wieder ganz neue Pläne bilden läßt. Für mich schreibt
er von Reisen nach Griechenland, Korfu und Petersburg. Wenn
er nur aber erst gefühlt haben wird, wie die sieben Hügel fesseln,
und wie in diesem Zauberkreise alle Reiselust erstirbt! In mir ist
es buchstäblich wahr. Ich wäre jetzt so herzlich gern mitten unter
Euch, ich empfinde manchmal eine so innige, selbst wehe Sehnsucht
danach, aber ich müßte die Wahrheit leugnen, wenn ich sagte, daß
ich nur den mindesten Wunsch nach einer Pariser Straße oder einer
Pariser Gesellschaft hätte. Ich glaube darum nicht, daß ich immer
und ununterbrochen hier bleiben werde, aber wahr bleibt es immer,
daß ich nie in so vollkommener und ungestörter Harmonie mit meinem
Aufenthalte gestanden habe. Alexander hier zu haben, wird ein un-
endlicher Genuß sein. Rom und die Gegend werden ihm ein hohes
Interesse einflößen, und seine gewöhnliche Heiterkeit wird in unserm
ruhigen einsamen Zirkel doppelt groß sein. Wenn ich auf die Zeit
zurückblicke, in welcher Alexander uns verließ, so haben wir indes
eigentlich sehr wichtige Epochen verlebt, und wenn wir uns auch
scheinbar sehr gleich geblieben sind, so haben wir doch in unserm
Innern große Umänderungen erfahren. Die unglückliche Begeben-
heit, die unser inneres Schicksal am entschiedensten bestimmt hat,
wird er mit Dir jetzt fühlen —— obgleich den Verlust eines Kindes
der nicht empfinden kann, der nie Vater war, und auch außerdem der
Schmerz um jeden bestimmten Menschen so rein individuell ist, daß
es eigentlich gar kein Mitgefühl gibt, und daher gegen jeden andern

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