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[   Band 2 Brief 99:    Humboldt an Caroline    Marino, 29. August 1804   ]


99. Humboldt an Caroline                 Marino, 29. August 1804

Liebe, teure Li. Ich habe wieder keinen Brief gestern von
Dir bekommen, ich hoffe, es wird das letztemal sein, wo
mich diese Unordnung der Post Nachrichten von Dir und
den Kindern entbehren läßt. Aber so gern hätte ich diesmal Briefe
gehabt. Alexander mußte schon bei Dir sein, als Du den schriebst,
der heute hätte ankommen sollen. Er hat mir von Bordeaux aus
geschrieben. Es hat mich gerührt, daß er von Bonpland, *) der zu
den Seinigen nach La Rochelle gehn wollte, mit einer Art Weh-
mut sagt: »Er sieht nun so bald die wieder, die er liebt!« Er
ahndete nicht, daß er nun nur wenige Tagereisen von Dir und den
drei Kindern entfernt war. Sein Erstaunen und seine Freude werden
unendlich gewesen sein. Ich lege einen Brief für ihn bei. Euer Zu-
sammensein macht mich unaussprechlich glücklich. Alles das ist Folge
Deiner Liebe für Paris, gute Li, und Deines heldenmäßigen Reise-
muts. Genieße es nun in vollem Maße. Alexandern in Paris an-
kommen zu sehen, muß himmlisch sein. Er wird wie ein Wunder-
tier angestaunt werden, es wird unerhörte Effekte geben, und ich
hoffe, er wird die Klugheit haben, nicht das Erkalten derselben ab-
zuwarten. Schreibe mir alles haarklein, ich bitte Dich. Über seine
Pläne schreibe ich ihm selbst. Ich sehe aus seinem Briefe, daß er
Berlin zu sehr zurücksetzt. Das ist in keiner Art klug. Vor der
Welt muß man das Vaterland ehren, wenn es auch eine Sand-
wüste ist. Das Wesentliche meines Rats geht bloß dahin, daß er
dem König um Urlaub schreiben soll. Auf diesen Brief, bitte ich
Dich inständigst, habe ein wachsames Auge. Laß ihn alles ver-
meiden, was nicht für den schlichtesten Menschen gemacht ist. Daß
er jetzt einige Monate in Paris bleibt, daß er nach Madrid geht,
daß er uns in Rom besucht, alles das ist auch meine Meinung.

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*) Vgl. S. 231.

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