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[ Band 2 Brief 95: Caroline an Humboldt [Paris], 22. August 1804 ]
weniger als je. Auch wünschte ich aus vielen Ursachen, daß Du, mein geliebter, verständiger Wilhelm, mit Deinem milden, schonenden und doch treffenden Sinn ihm einen ernsten Brief über das Bei- behalten seiner Deutschheit schriebest. Il va s’enivrer ici d’une vaine gloire, und am Ende lacht man sich doch hier ins Fäustchen, wenn er sich tête perdue in ihre Arme wirft. Aus der Ministerveränderung in Berlin kann man hier nicht recht klug werden. Einmal steht so und einmal wieder anders in den Zeitungen, aber daß ein Minister auswärtiger Geschäfte die Hälfte des Jahres auf seinen Gütern sein könne, scheint mir un- möglich. Ich erwarte Alexanders Ankunft, um meine Abreise ganz zu bestimmen, aber ich glaube schwerlich, daß ich mehr als 14 Tage länger bleibe, als wir übereingekommen sind. Ich kehre, selbst von Paris, was ich noch eben so wie ehemals liebe, mit inniger Freude zu Euch zurück. Freilich genieße ich Pariser Pläsiers wenige, aber das war’s ja auch nie, was ich am meisten hier liebte. Wilhelms teure, heilige Gestalt wandelt mir ewig zur Seite. Ich kann nicht in die Tuilerien vom Quai aus hineintreten, ohne daß es mir nicht einfiele, wie er voller Leben hundertmal sich da von meiner Hand losriß und in den Gängen herumsprang wie ein losgelassenes Füllen. Ach, verzeih, daß ich Dir letztens so sehr trübe über ihn schrieb, es lebt neben einer großen Heiterkeit und Ruhe ein tiefer, ewiger Schmerz in meiner Seele, den keine Zeit verlöschen kann. Es frappierte mich, aus Deinem Briefe zu erfahren, daß der Garten mit dem Hause in L’Ariccia zu verkaufen ist — ich möchte ihn wohl haben. Sein Odem weht dort noch in den Lüften, seine Füße haben den Boden betreten — werden wir ihn denn je noch wo wiedersehen? Er steht so lebendig vor mir, er ist meinem Herzen so nah, und nirgend weiß ich ihn mehr zu finden, und doch ist er mir und Dir nah überall. Wenn es kein fortdauernd Dasein gibt, 226