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[ Band 2 Brief 92: Caroline an Humboldt Paris, 14. August 1804 ]
Theodor ist gesund und nimmt sogar an Fleisch und Derbheit seit einiger Zeit sehr zu; aber das Auge wird so langsam besser, daß es kaum merklich ist. Das Leben ist sehr schwierig mit ihm; ausgehn darf er sehr wenig, entweder wegen der Feuchtigkeit der Luft und des Erdbodens oder wegen des Sonnenlichts. Zu Hause darf er sich nicht beschäftigen, um das Auge nicht anzustrengen, und er vergißt nun natürlich durch den gänzlichen Mangel an Übung das wenige, was er konnte. Wir schwatzen beinahe den ganzen Tag zusammen, er spricht auch schon sehr leidlich Französisch, und an eigenen Ideen wirst Du ihn, glaube ich, sehr entwickelt finden. Caroline macht viele Fortschritte auf der Gitarre; aber der französische Maitre, der sehr gut und ein in seiner Sprache und Literatur sehr unterrichteter Mann ist, ist weniger mit ihr zufrieden. Adieu, Geliebtester. Du magst einen schönen Himmel haben, während wir hier kaum unterscheiden, ob es Tag oder Nacht ist. Kohlrausch grüßt tausendmal. Er ist immer in den Spitälern und bei Kadavern des Morgens. 93. Humboldt an Caroline Marino, 15. August 1804 Ich habe wieder, teure Li, Montag keinen Brief von Dir empfangen, und wenn ich auch ohne Besorgnis bleibe, so entbehre ich doch so ungern Deine süßen Zeilen. Vor allem hätte ich sie gern gestern gehabt, wo ich so unendlich und unaus- hörlich Deiner gedacht habe. Auch Du, liebe, teure Li, wirst von neuem alle Schmerzen des unglücklichen Tages empfunden haben, und Dein Schmerz ist mir von neuem tief durch die Seele gegangen. Ich habe in dieser Nacht kein Auge zugetan und habe mir gedacht, daß es auch Dir so gehn würde, und daß Du die kleine Louise 221