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[ Band 2 Brief 87: Humboldt an Caroline Marino, 24. Julius 1804 ]
immer die reichste Quelle des Lebens, weniger sogar durch das, was sie unmittelbar leisten, als durch die rege Stimmung, in die sie versetzen. Diese Wirkung habe ich auch jetzt aufs neue wieder so in der hiesigen Gegend und diesem Himmel gefunden. Es gibt wohl eigentlich noch größere und romantischere, aber so erweckende nirgends, nirgends so zugleich durch Form, Farbe und wirkliches liebliches Gefühl sich anschmeichelnde. Reinhart *) bin ich jetzt doppelt gut geworden, daß er das so zu schätzen weiß. Neapel hat gar keinen großen Eindruck auf ihn gemacht, er versichert, an Schönheit der Vegetation und Mannigfaltigkeit der Lagen wäre die römische Gegend unendlich vorzüglicher. Wo Graß **) wollte die üppigste Vegetation entdeckt haben, hat Reinhart nur einige Bäume gefunden. Graß ist übrigens mit gleichem Enthusiasmus jetzt in Palermo geblieben. Er will dort malen und kommt ver- mutlich erst im Herbst zurück. Steinmeyer ***) und Schinkel †) sind wieder hier, aber auch sehr mit Sizilien zufrieden. Alle bleiben länger als sie wollten hier. Vorigen Posttag habe ich drei sehr merkwürdige Briefe be- kommen . . . Der zweite war von Uhden. Ordentlich verrückt und so, daß er mir alles von ihm mit Schiller gehaltene Geschwätz auf- klärt. Die höchste Sehnsucht nach Rom und Italien, dem Lande, wo er zuerst einen festen Charakter bekommen; es steht namentlich darin: verzeihen Sie mein langes Stillschweigen, aber im starren Hinbrüten über Gegenwart und Zukunft seien die Momente nicht häufig, in welchen er sich wie jetzt einmal sammeln könne. Dann eine Schilderung Berlins, wie zu Sodom und Gomorrha. In vier Wochen hätten sich dreißig Menschen ermordet (das ist wirklich nicht übel, aber gewiß nicht die rechten), die Juden würden gedrückt, die ——— *) Johann Christian Reinhart, 1761—1847, Maler. — **) Karl Graß, Maler. — ***) †) Steinmeyer, junger Architekt und Freund Karl Friedrich Schinkels. 211