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[ Band 2 Brief 84: Humboldt an Caroline Marino, 11. Julius 1804 ]
Sie muß aber wirklich in Marino heiraten, denn es hat einen un- glaublich guten Einfluß auf sie und ihre Gesundheit. . . . Die Adel hat hier einen ganz sicheren Balkon, auf dem sie manchmal steht, und der nach der Straße geht. Von da herab hält sie Konversationen mit den Kindern, die sich unten versammeln, wirft auch wohl manch- mal einen Bajocco hinunter, aber selten, weil sie das Aufheben liebt. Neulich hatte sie eine göttliche Szene. Sie erzählte den Kindern sehr weitläufig, daß sie in Paris geboren wäre — das ließen sie nun so hingehen —, daß sie einen Mann hätte — da lachten sie schon — und daß sie sechs Kinder hätte. Darüber machten die unten einen großen Lärm. Adel nahm das aber so übel, daß sie sich auf die Erde warf und fürchterlich weinte. Wie sie indes sah, daß das Weinen nicht half, sprang sie auf einmal auf, lief wieder hin und schimpfte nun aus vollem Halse: »Maledette bestie« und Gott weiß was für entsetzliche Schimpfwörter, und immer dazwischen: »È vero, è vero, ho sei creature«, zum Tot- lachen. . . . Auf das Halsband von Wilhelms Haaren freue ich mich un- endlich. Ach! Du glaubst nicht, wie er mich hier beständig und in jedem Augenblick begleitet. Diese achttägige Einsamkeit ist mir vorzüglich darum so lieb gewesen, weil ich so ungestört habe seiner denken können. Es ist mir, als wäre er mir noch näher in diesen Bergen, die ich immer mit ihm sah, als bewohnte er sie auf eine noch eigenere Weise. Ich fühle immer mehr, daß das Gefühl seines Verlustes auch durch nichts nur getauscht werden kann. Jedes unsrer Kinder ist mir unendlich lieb. Aber an keines Stelle läßt sich ein anderes setzen. Adelheid hat wohl einiges von Wilhelm, aber die Art der Sanftmut und der Klugheit, der Fröhlichkeit und des Fleißes hat keines wieder. Ich kann es mir nicht denken, auch jetzt nicht, daß wir ihn nie wiedersehen sollten; schon so oft hier im Gehölz ist es mir gewesen, als müßte er mir begegnen. Wenn er 202