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[   Band 2 Brief 81:    Caroline an Humboldt     Paris, 21. Junius 1804   ]


81. Caroline an Humboldt                  Paris, 21. Junius 1804

Deine geliebten Briefe vom 26. und 30. Mai haben mich
hier empfangen, mein teurer Wilhelm, woselbst ich den
15., nachmittags, angekommen bin. Verzeih, daß ich Dir
nicht schon früher schrieb. Allein in dem Wirrwarr des ersten An-
kommens war es mir eigentlich unmöglich, und Kohlrausch verlor
mehrere Vormittage mit den Paßgeschichten. Alles ist aber nun
in Ordnung. Unser Minister hat Kohlrausch sehr zuvorkommend
empfangen, und er ist auch einen Vormittag sehr lange bei mir
gewesen. Meine Gesundheit ist für meinen Zustand und die Fatige,
die ich mir in der letzten Zeit zugemutet habe, gut. Ich habe nicht
die mindeste Besorgnis, und bitte Dich, mein teures Leben, inständig,
Dich ja nicht zu beunruhigen.
Ich habe Paris mit einer Freude wiedergesehen, die ich Dir
kaum beschreiben kann, und die vollkommen wäre, wenn Du und
die geliebten Kinder mir nicht fehlten. Meines Wilhelms schöne
Haare, zu einem sehr geschmackvollen Kollier geflochten, haben mich
hier empfangen. Du wirst es mit inniger Rührung sehen. Ach,
wo ich hier hintrete, begegnet mir immer und immer die schöne Ge-
stalt, und alles, was ihn gekannt hat, tritt mit Tränen in den
Augen zu mir. Schlabrendorff ist täglich einige Stunden bei mir,
sein Äußeres hat sich nicht verändert, sein Auge ist womöglich noch
klarer und geistvoller geworden; den großen Schmerz seines Lebens
trägt er wie immer in der tiefbewegten Brust, aber sein Ausdruck
hat darüber vielleicht etwas Milderes bekommen. Er reist, wie es
seiner Geschäfte wegen unumgänglich notwendig ist, im künftigen
Monat ab. Sein Zimmer ist aufgeräumter, man sieht, daß die
Probebogen der Stereotypen nicht mehr darin herrschen, und seine
Toilette ist viel soignierter wie ehemals. Er hustet auf eine be-
unruhigende Weise und scheint selber es nicht für unbedenklich zu

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