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[   Band 2 Brief 79:    Humboldt an Caroline    Rom, 13. Junius 1804   ]


gehabt. Es ist mir dabei noch recht lebhaft geworden, daß doch
eigentlich nichts über das Vergnügen ginge, wenn man sein Träumen
in seiner Gewalt hätte, wenn man nur bestimmen könnte, wovon
man, und nur im ganzen, in welcher Art man träumen wollte. Es
wäre gewiß manchmal noch mehr als die Wirklichkeit, weil es etwas
Magisches und ganz ohne Zerstreuung auf einen Gegenstand
Konzentriertes, sogar etwas Innigeres hat.
Alle Augenblick kommt der Kandidat und sagt: »Es muß heute
wieder etwas Besonderes in der Luft sein. Vicenza, ich, der Apo-
theker sind wieder krank«, und alle Augenblicke drohen Fieberanfälle.
Ich begreife die Menschen nicht. Ich bin immer wohl und kann
mir gar nicht einbilden, daß hinter dem tiefblauen Himmel eine
solche Tücke versteckt sei. Wunsch hat aber auch wirklich eine
schwächliche Natur. Er ist übrigens zu großen Ehren gekommen.
Er ist Assistenzarzt im Spital von S. Giovanni (beim Lateran) ge-
worden. Diese Stelle wird durch einen Konkurs vergeben, und ich
hatte Wunschen sehr dringend an den Kardinal empfohlen, der
darüber gesetzt ist. Dabei hat er sich gut gehalten, und so ist er
ernannt worden. Die Römer wüten und schäumen darüber, und
versichern, die Fremden kriegten alles, und es gehe bloß nach Emp-
fehlung. Er hat dort freie Wohnung, frei Essen und 2 Sc. noch
monatlich, auch einen eigenen geistlichen Habit, und diese Herrlich-
keit dauert drei Jahre. So ist der Menschen Schicksal. Er kam
mit so ungewissen Aussichten her, und ist doch nun wenigstens für
drei Jahre gesichert, auf den sieben Hügeln zu bleiben. Er hat jetzt
mehr wie ich, denn ich kann jeden Tag weggeholt werden. Müßte
er gleich seinen Dienst antreten, so wäre es mir indes doch nicht
lieb. Allein er braucht erst vermutlich gegen den Winter hineinzu-
gehn. Er fängt sich aber auch jetzt an einzubilden, daß er wirklich
ein Arzt ist, und ich muß ihn manchmal reprimieren. Immer die
Nemesis, wenn er auch nur Gehilfe in einem Spital ist, eine

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