< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 2 Brief 77:    Caroline an Humboldt     Mainz, 7. Junius 1804   ]


gekommen, und eigentlich finde ich es auch größer, so mit Deinem
edlen Paß durch halb Europa durchzukommen.
Deinen lieben Brief vom 18. habe ich in Weimar bekommen
und bin innigst über die Güte gerührt, mit der Du mir alle kleinen
Details über die Kinder schreibst. Ach, Ihr seid auch der immer-
währende Gedanke meiner Seele! seid mir ewig gegenwärtig.
Adieu, Geliebtester.


78. Caroline an Humboldt                    Metz, 12. Junius 1804

Mein teurer Geliebter! Wie süß ist es mir, Dir schon von
hier zu schreiben und Dir sagen zu können, daß unsere
Reise glücklich von statten geht und mich nicht unmäßig
fatigiert. Den 15. werden wir in Paris eintreffen und überhaupt
nur noch eine Nacht zwischen hier und Paris unterwegens sein.
Ich bin zwei Tage hier geblieben, um mich gründlich auszuruhen,
und fühle mich heute sehr gestärkt. Das einzige, was mir abgeht,
sind Deine lieben Briefe, die ich nun schon seit heut vor 14 Tagen
entbehre.
In Weimar gab mir Schiller den Tell zu lesen im Manuskript.
Es ist ein wirklich großes Werk seines Genies, das ich weit über
die Braut [von Messina] hinaussetze. Mit bewunderungswürdigem
Geiste hat er die sehr vereinzelten Gestalten, die in dem Stück auf-
treten und die die Geschichte nennt, und die zerstreuten Fakta in
einem Ganzen zu vereinigen gewußt und Tell, den Helden des
Stücks, auf eine wunderbare Weise dadurch herausgehoben, daß er
ihn zuerst bei der lebensgefährlichen Rettung eines andern auf eine
hohe Art zeigt, ihn dann von allen gemeinschaftlichen Beratungen
der unterdrückten Schweizer entfernt hält, bis zum Augenblick, wo er
handelnd wieder erscheint und ohne Beistand, bloß durch den Rat

                                                                       185