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[   Band 2 Brief 75:    Humboldt an Caroline    Rom, 26. Mai 1804   ]


von uns beiden hat den andern recht gern, aber jeder kennt doch,
auch der Gattung nach, etwas Besseres und ihm Heimischeres. Daß
Du viel mit der Staël hättest leben können, hätte ich sehr gewünscht.
Ich hätte wissen mögen, ob sie je dahin gekommen sein würde, Dich
tiefer zu kennen. Im Grunde ist ein Wesen wie das Deine, das
sich immer gleich bleibt, nicht für sie. Es muß einzelne Blitze geben,
wo sie wahres Feuer erkennen soll. Am lächerlichsten war sie mir
mit Alexander. Eigentlich würden sich beide sehr gut gefallen haben.
Aber aus bloßer Eitelkeit, die schon, ehe ein Wort gesprochen wurde,
beleidigt war, sprach er vor ihr so gut als gar nicht.
Daß Du so wohl bist, ist mir ein inniger Trost, liebe Li.
Ach! bleibe nur so, mein Einziges, und komme so wieder. Froh
wie ehemals können wir nicht mehr zusammen sein, da wir nicht
mehr alles wie ehemals haben, was uns lieb ist, aber glücklich sind
wir doch in der Gegenwart durch uns und die Kinder und auch
in der Vergangenheit durch Erinnerung. Die Stelle in Deinem
Brief über Wilhelms Geburtstag hat mich innig gerührt. Sage
aber nicht, liebe Li, daß Du ihn hättest mit Deinem Leben erhalten
mögen. Es läßt sich darüber nichts sagen, und das Liebste läßt
sich nicht wieder mit dem Liebsten erkaufen. Glaube mir, wie lange
wir ihn auch überleben möchten, es werden uns, wenn wir tot sind,
nur wenige Tage erscheinen, daß wir von ihm getrennt waren. Laß
uns so lange mit Liebe fest aneinander halten; Du sagst sehr recht,
daß es eine schöne Idee ist, daß er unberührt von den wehen Freuden
und den Leiden des Lebens hingegangen ist, und sein Vorunshin-
gehen hat uns, das fühl ich immer so deutlich, die Grenzen des
Daseins erweitert. Ich war noch vor kurzem bei seinem Grabe.
Es ist so still und schön. Die Pyramide immer so düster und ernst
und durch den blauen Himmel so göttlich gemildert. Ich bleibe
dabei, liebe Li, ich stürbe gern hier, und doch hoffe ich es nicht.
Wenn ich sehr lang lebte, käme ich wohl wieder her. Aber ob

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