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[   Band 2 Brief 74:    Caroline an Humboldt     Burgörner, 20. Mai 1804   ]


Recht lebhaft denk ich hier unsers allerersten Zusammenseins. —
Du Guter, Milder, in der Reihe der verflossenen Jahre habe ich
Dir doch das Leben nicht sauer gemacht, nicht wahr? aber ich hätte
es doch wohl noch besser machen können? —
Theodors Aussehen nimmt wieder sehr zu, die größere Be-
wegung, die mit dem Landleben verbunden ist, tut ihm gut. Caroline
ist sehr wohl und blühend, der Großpapa hat ihr ein golden Hals-
band zum Geburtstag geschenkt.
Schiller kommt den 22. nach Weimar zurück und geht nicht
vor dem 15. Junius nach Jena. Ich werde ihn also diesmal finden.
Adieu, Geliebtester. Die Kinder grüßen. Papa, Ernst, die Schwäge-
rin versteht sich. Adieu! Ach, wäre es doch morgen abend, damit
ich Deinen Brief hätte! —


75. Humboldt an Caroline                 Rom, 26. Mai 1804

Du hast mir eine unendliche Freude gemacht, liebe, gute Li,
indem Du mir in einer Woche hast zwei Briefe zu-
kommen lassen. Wie glücklich Du mich gemacht hast, kann
ich Dir nicht sagen. Deine Hand allein ist mir schon ein solcher
Trost, sie ruft mir so alle unsere ehemaligen Trennungen zurück,
alle Freude, die ich da hatte, Deine lieben Briefe zu erbrechen,
daß ich es Dir nicht beschreiben kann.
Schillers Abreise ist ein wahrer Geniestreich. Schon öfter
haben wir in ihm gesehen, wie es geht, wenn einer, der immer nur
in seinen Dichtungen lebt, auf einmal ins Leben eingreifen will.
Fast alle Pläne, die wir von ihm noch bisher kannten, waren barock
oder wurden so ausgeführt. Ich zweifle daran, daß er Glück in
Berlin macht. Man hat schon Vorurteil gegen ihn, man wird

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