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[ Band 2 Brief 74: Caroline an Humboldt Burgörner, 20. Mai 1804 ]
74. Caroline an Humboldt Burgörner, 20. Mai 1804 Mein teures, liebstes Leben! Ich bin vorgestern glücklich hier angekommen und eile, Dir mit der ersten abgehenden Post zu schreiben. Donnerstag nachmittags, den 17., fuhr ich nach Naumburg und Freitag über Freiburg und Querfurt hierher. Hinter Freiburg begegneten wir Ernsten, der wohl eingepackt in seiner Chaise denselben Weg machte wie ich. Er lud mich mit den Kindern in seinen Wagen ein, und wir fuhren von Querfurt bis hierher miteinander, wo wir Papan sehr munter antrafen. Das Familienleben ist ganz das alte, wie Du es kennst, und Burgörner auch. Der Platz vor dem Hause ist noch immer so unaufgeräumt wie vor zwölf Jahren. Die unteren Zimmer stocken wegen der Feuchtig- keit, die Schwellen faulen. Papa baut den Schafstall und wird nie mit Bauen fertig werden. Ernst hat sich auffallend verändert, er hat äußerst gezogene Züge, sieht älter aus wie Papa und ist grämlich und verdrießlich. Die Gattin, *) der arme Narr, manchmal tut sie mir doch leid, wenn ich bedenke, wie freudlos ihr das Leben hingeht. Von einem andern Mann hätte sie doch wohl ein paar Kinder und fühlte sich in einer gewissen Tätigkeit. Meine Gesundheit ist gut, meine innigste Sehnsucht ist Dir und den holden Kleinen zugewendet und dem stillen Grabe meines ewiggeliebten Wilhelm. Ach, wie schön, wie warm, wie still und hehr mag es in dieser Abendstunde dort sein! Ich suche Dich oft da in Gedanken und in den stillen Gängen um den Aventin, mit Adel gehe ich in der Medicis zwischen dem hohen Lorbeer spazieren und schaue mit ihr von Monte Trinita in die wunderbar gemischten, ewig wechselnden Wolken des Abendhimmels. Auch hier ist das Wetter schön nach hiesiger Art, nur kalt, unausstehlich kalt im Hause, wenigstens in den Zimmern, die die Sonne nicht trifft. ——— *) Frau v. Dacheröden, geb. v. Carlsburg. 174