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[   Band 2 Brief 73:    Humboldt an Caroline    Rom, 19. Mai 1804   ]


gegeben hat. Er lag auf demselben Bett wie in L’Ariccia, und tot.
Aber er bewegte so unendlich sanft die Augen, er machte sie größer
und tiefer, wie er so oft tat, und sie waren gleich schön, nur ver-
bleicht an Farbe. Ich muß es ewig wiederholen, dies Kind war
mir so in die Seele gewachsen, daß ich ganze Spaziergänge, halbe
Nächte lang alles, was ich von ihm weiß, zurückrufen und dabei
unendlich genießen kann. Je länger wir ihn verloren haben, desto
tiefer werden mir diese Gefühle; bloß das Streben, alles, was man
noch von ihm zu sehen, zu hören glaubt, recht fest zu halten, er-
müdet und spannt ab. Sonst sind diese Erinnerungen himmlisch,
und ich kenne nichts, das an ihre Freude grenzt. Von jeher war
es so in mir. Wenn ich in Burgörner ein paar Tage bei Dir ge-
wesen war und nun wieder allein sein mußte. Mit nichts auf Erden
hätte ich den stillen Genuß vertauscht. Und so ist es mir jetzt.
Manchmal kann ich kaum sagen, daß sein Tod mich schmerzt. Er
ist so leicht, so fröhlich hingegangen. Im Leben ist so vieles, was
uns abstumpft und verderbt. Er ist vorübergeglitten, und sein Bild
hat er rein und ungetrübt gelassen. Aber manchmal wieder ergreift
mich auch ein recht eigentlicher physisch wehetuender Schmerz. Neulich
ging ich, es ist schon eine Zeit, über den spanischen Platz und sah
Reiter, die hier Künste machen, über den Platz reiten. Es waren
ein paar Knaben auf kleinen Pferden dabei. Es fiel mir nun so
vorübergehend ein: wenn Wilhelm doch die sähe, und es ergriff
mich so, daß ich in die Villa Medicis gehen mußte und lang da-
bleiben. Der Ort fesselte mich da so. Ich war immer da, gerade
die nächsten Tage nach seinem Tode, und ich erinnere mich ewig,
wie mich schauderte, als ich zufällig den kleinen Berg hinaufstieg
und den Monte Cavo sah. —
Ich habe mich so gehn lassen; davon zu schreiben, liebe Li,
wenn ich täte, wie ich möchte, schriebe ich, spräche ich selten von
etwas anderem, und es hat mich oft geschmerzt den Winter, daß

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