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[   Band 2 Brief 68:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], 4. Mai 1804   ]


Auleben und Burgörner amüsiert mich gar nicht, und wenn Ernst
nur ein wenig Honnetität hätte, so hätte er mich ihr nicht aus-
gesetzt, denn wäre Ernst hierhergekommen, so hätte sich alles trainiert
und ich wäre von hier nach Weimar gefahren, wenn Papa nach
Auleben abgesegelt wäre. Ich hatte Ernsten alles detailliert, meine
Umstände, die zugemessene, genau mir zugemessene Zeit, um vor
meiner Entbindung nach Paris zu kommen, und ihn daher gebeten,
hierher zu kommen, allein Bedenklichkeiten ohne Ende, Bequemlich-
keit, Angst, zwei Meilen mehr zu fahren und dergleichen Elendigkeiten.
Ich will mich mit niemand brouillieren und gehe also ohne Wider-
rede, wohin Papa will den ganzen Mai, aber damit Punktum,
denn ich habe ihm deklariert, daß, wenn ich nicht nach Paris ginge,
ich meine Wochen in Jena abwarten wollte und ihn immer um
dieselbe Zeit verließe. Zu meiner Pariser Reise macht sich aber
alles sehr gut. Eben, indem ich dieses schreibe, bekomme ich einen
Brief von Caroline mit einer Einlage der Pobeheim *), die ihr
aufträgt, mir zu sagen, daß sie das Band aus Wilhelms Haaren
geflochten für mich habe machen lassen und es mir aufbewahre.
Das ist also das Letzte, was mir noch von ihm zurückkommt, von
meinem, von unserm geliebten Wilhelm. Morgen ist sein Geburts-
tag, Du denkst gewiß daran wie ich, und unsere Gedanken begegnen
sich bei seinem Grabe. Ach, immer bleibt mir etwas Schönes und
Eigentümliches in seinem frühen Dahinscheiden; wäre eine Gewiß-
heit des Wiedererkennens, so könnte ich eine recht eigentlich tiefe
Freude darüber empfinden, daß er vom Leben keine Freuden und
keine Leiden genossen hat, er, der zu allen mit großen und reichen

———
*) Pobeheim, Bankier in Paris, der dort Humboldts Geldgeschäfte
verwaltete und durch seinen Bankrott ihm empfindliche Verluste zufügte. Diese
Geschäfte, das Zurückziehen der Vollmacht sowie der Wunsch, sich nicht von
Kohlrausch zu trennen, der einige Zeit in Paris zubringen mußte, waren die
Hauptgründe für die Pariser Reise.

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