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[ Band 2 Brief 66: Humboldt an Caroline Rom, 28. April 1804 ]
daß Du ein Jahr verlierst, da es doch so wenige im Leben gibt. Ich lebe jetzt eine sehr schöne Zeit, und es fehlt mir nichts als nur Du. Ich gehe sehr selten in Gesellschaft, die Geschäfte sind mäßig, und ich gehöre meist mir an. Aber meine Sehnsucht nach Dir ist darum nur stärker und dauernder. Liebe, gute Seele, wir haben nun so viele Jahre in ununterbrochener Liebe miteinander gelebt, daß es kein Wunder ist, wenn wir uns einander fehlen. Aber bekümmere Dich darum nicht, es ist auch in der Sehnsucht eine hohe Süßigkeit, kürze darum Du Deine Reise um nichts ab. Mache die Pariser ja recht vernünftig und ordentlich, kämest Du auch später zurück, als Du wolltest. Bleibt Theodor gesund, so stärkt er sich nur desto besser, und wir sind desto sicherer, daß wir hernach ungestört hier sein können. Daran liegt mir wirklich recht ernstlich, und müßten wir auch noch länger getrennt sein, daß Theodor nicht zu früh zurückkommt. Bedenke nur, in welcher fatalen Lage wir wären, wenn wir zum zweitenmal fänden, daß es mit ihm hier nicht ginge. Hier ist alles beim alten. Das Volk hat mich rein verlassen. Der Dienstag ist daher sehr klein, zwölf, vierzehn Personen, aber nicht unangenehm, weil man mehr spricht. Der Baiernfürst *) ist der Pilier, der erste und letzte, Khevenhüller **) kommt auch wieder, und neulich war ein polnischer General Dabrowski, der ein interessanter Mann ist [da]. Mit dem Prinzen war ich gestern zum letzten Male beim Papste und der Königin von Sardinien. Die fragt beständig nach Dir und rühmt Dich. Beim Papst hab ich noch zuletzt eine üble Kommission für den Prinzen gehabt. Ich habe müssen zwei Rosenkränze erbetteln. Es ist mir etwas sauer geworden, allein der Papst hat geblutet, was wollte er machen? Es sind zwei recht hübsche Achate und Onyxe. Der Papst war übrigens sehr freund- schaftlich und fragte auch nach Dir. Consalvi **) ist krank und nimmt ——— *) Der nachmalige König Ludwig I. — **) Vgl. S. 132. — ***) Kardinal und Staatssekretär Pius’ VII. 150