< zurück Inhalt vor >
[ Band 2 Brief 55: Caroline an Humboldt Florenz, 11. März 1804 ]
schreckhaft. Wir wollen sehen, wie es morgen geht; gestern hat ihm Kohlrausch eine äußerst starke Dose Opium mit China eine halbe Stunde vor dem vollen Eintritt des Fiebers gegeben. Caroline ist sehr wohl, und ihr soll die Reise, physisch und moralisch genommen, denk ich, sehr wohl tun. Ich befinde mich wohl und bin gar nicht fatigiert von der Reise, die täglichen Stationen waren dazu auch gar zu klein. Kohlrausch ist außerordentlich lieb und zuvorkommend und von einer unerschöpflichen Heiterkeit — ich meine nicht Lustigkeit, denn wirklich hätte ich mich der letzteren in diesen Tagen auch nicht erfreuen können. Der Abschied von Dir und den Kleinen hat mich aufs tiefste bewegt. Ohne die guten Folgen, die ich für Theodor erwarte, wäre ich glaube ich nicht imstande, weiter zu reisen. Es ist mir die innigste Freude, daß Adelheid Dir ein Trost ist. Das kleine Ding wird sich unaussprechlich an Dich anhängen, denn es hat das tiefe Vermögen der Liebe in sich. Ich glaube nicht, Adel mit zu günstigen Augen anzusehen, wenn ich sage, daß es eine der lieblichsten Naturen ist, die in dem Mädchen wohnt. Sie wird sich uns zur Freude und zum schönsten Genuß hundertfach entwickeln. Die ganze Reise ist mir eine beständige, fortwährende Erinnerung an Wilhelm gewesen. Überall wo ich hinkam, erinnerte man sich unsrer, frug nach dem schönen Wilhelm, und fremde Menschen habe ich weinen gesehen, wenn ich sagte, der sei tot, und wenn sie zugleich den blassen, in Kissen gehüllten Theodor tragen sahen. Überall war ich in denselben Stuben, wo ich mit ihm war, schlief zuweilen in denselben Betten — und so wird es die ganze Reise sein, ach, und mir macht das sie lieber. Das ist mein beständiger Kummer, daß die fortrückende Zeit, wenn sie auch den Menschen an Gedanken und Empfindungen und innerem Leben bereichert, ihn mich durch das Schwächen der Erinnerung ärmer macht, und daß man nie auf einen Punkt kommt, wo man ganz und durch- aus Vergangenheit und Gegenwart und die hohe Ahndung der Zukunft 127