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[ Band 2 Brief 52: Rom, 2. September 1803 ]
Die Geschichte unsrer Leiden ist noch nicht aus. Am Tage, wo ich mit dem Arzt nach L’Ariccia kam, hatte sich Theodor eine Stunde vor meiner Ankunft gelegt, und er brachte den 14. August in einem totenähnlichen Sopor und heftigem Fieber zu. Den 15. August, an Wilhelms Todestag, war er leidlicher, und wir entschlossen uns schnell, ihn nachmittags nach der Stadt zu bringen. Er lag in einem zu- gemachten Wagen in einem Bett und kam solchergestalt mit Emilien und dem Arzt nach dreistündigem Fahren in Rom an, wo ich eine halbe Stunde früher angekommen war. Die Natur der Krank- heit decidierte sich schnell, es war ein hitziges Nervenfieber, das nicht einen Augenblick aussetzte. Bis zum zwölften Tage lebten wir alle in Hoffnung, allein den dreizehnten verschlimmerte er sich auf die fürchterlichste Weise, und den 13., 14., 15., 16. und 17. sahen wir seinem Ende entgegen. Das Fieber stieg bis zu 132 Pulsschlägen, und von der tödlichen Ermattung, die darauf folgte, können Sie sich keinen Begriff machen. Sein Anblick war der eines Toten. Heute ist der 21. Tag, und wir leben mit der Hoffnung seines Lebens wieder auf. Nun ein Wort von dem Arzt, damit, wenn Sie ihn je in Deutschland sehen sollten, auch Sie ihm den innigsten Dank sagen können. Er ist ein Hannoveraner und heißt Kohlrausch und hat trotz seiner Jugend — er ist 25 oder 26 Jahre alt — eine ungemeine Erfahrung, weil er als Arzt und Chirurgus mehrere Jahre bei der Armee war und daher die wichtigsten Fälle gesehen und behandelt hat. *) ——— *) Kohlrausch erklärte, Theodor habe einen nervösen Typhus, wie er ihn nur auf dem Marsche bei todmaroden Soldaten gesehen. Derselbe Be- richt erzählt uns weiter: »19 Tage lag Theodor in seinem Totenschlaf, die Haut war wie Leder anzufühlen, er roch wie eine Leiche. Der hinzugezogene römische Arzt und andere Italiener zogen wieder und wieder die Mutter von seinem Bette fort, indem sie ihr sagten, sie müsse sich fassen, er wäre ja tot, Gott habe ihr zwei Söhne genommen. Sie aber verließ ihn nicht, und Kohlrausch nur spürte noch Leben in dem schwachen Puls, den er be- ständig mit der Uhr in der Hand beobachtete.« 121