< zurück Inhalt vor >
[ Band 2 Brief 52: Rom, 2. September 1803 ]
rief er aus und bekam einige Zuckungen in den Armen und Beinen, er fing an zu röcheln, sein Kopf sank tiefer an meine Brust, und nach drei oder vier Sekunden war er tot. — Wenige Minuten darauf kam Humboldt an. . . . Ich sage nichts von unserm Zustand, unserm Schmerz, Sie sind ja Vater und haben auch einen hoffnungsvollen Sohn verloren. Aber die Schmerzen der mütterlichen Brust sind die tiefsten des menschlichen Lebens, und Sie wissen, ob ich für etwas anderes als für meine Kinder gelebt habe. Nun ist mir der schönste, der zärt- lichste, der stärkste und blühendste entrissen. Sein Körper war die Bewunderung aller, die ihn sahen, seit einem Jahr war er so ge- wachsen, daß er nur noch ein wenig kleiner war als ich, und in demselben Verhältnis war er stark. Nun führt man dies außer- ordentlich schnelle Wachsen als einen mitwirkenden Grund seines schnellen Todes an. Mein armer lieber Humboldt fand ihn nicht, und auch daß der Knabe nicht mehr die Freude gehabt hat, seinen Vater zu sehen, und der Vater sein Kind, ist vermehrte Bitterkeit in dem Kelch dieser Leiden. Wilhelm war sein liebstes Kind; seitdem wir hier sind, war er der einzige, der ausnehmend um ihn war, und besonders seit Riemer *) uns verlassen hat, gab Humboldt trotz seiner vielfachen Geschäfte dem Kleinen noch den Unterricht, den sein Hof- meister, welchen wir nur ad interim genommen hatten, ihm nicht geben konnte. Humboldts Schmerz ist der Schmerz eines Mannes, der sein Schicksal trägt, aber der seinige und der meine sind fürs Leben. In der Nacht vom 17. zum 18. ist er bei der Pyramide an einer einsamen Stelle unter Bäumen begraben worden. Die beiden Herren, die den Prinzen begleiteten, haben ihn hingebracht, und Keller ar- beitet nun an einem kleinen Denkmal, das ihm Humboldt setzen läßt. ——— *) Riemer, Philologe, Schüler Wolfs in Halle, war als Hauslehrer mit Humboldts nach Rom gegangen, blieb aber dort nur kurze Zeit, wurde später Bibliothekar in Weimar. 120