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[ Band 2 Brief 48: Humboldt an Caroline Itzatzu b. Bayonne, 27. Mai 1801 ]
feuer sang er mir Trinklieder und war in seiner Seele vergnügt, sich so in seine Jugendzeit zu versetzen. Er hat sehr nach Dir und allen Kindern gefragt, sich die Namen und das Alter von allen er- zählen lassen und bedauert immer, daß ihr nicht alle hier seid. Er zeigte mir, wie für alle im Hause Platz sei und wie sich die Kinder im Garten und mit den Kirschen amüsieren würden. Sein Haus liegt wie alle der baskischen Dörfer ganz einsam und abgesondert. Zu lernen ist nicht gerade viel von ihm, vorzüglich weil er schon so schwachen Ge- dächtnisses ist, daß er immer von einer Sache in die andre kommt, und dann auch, weil er die wunderbarsten etymologischen Grillen hat. Ich bleibe indes doch zwei Tage bei ihm, weil er und die Gegend mir ge- fallen und man Zeit braucht, um auch nur einiges von ihm zu erfahren. Mit meiner Reise ist es soso gegangen. So wohlfeil als ich dachte ist sie nicht gewesen. Ich habe meistenteils ein Pferd nie [wie ?] ein Maultier haben müssen — und das ist hier teuer. Indes wird es auch nicht viel darüber kommen, vermutlich zwischen 40 und 50 Louisdor. Die Rückreise von Bayonne aus ist wohlfeil, das bringt wieder vieles ein. Ich wollte noch viel schreiben, meine Liebe, aber mein alter Pfarrer hat mich nicht verlassen, und jetzt muß ich schließen. Ich komme eben wieder von einer Singübung, die der Alte mit dem Mädchen gehalten hat. Lauter alte Weisen, einige sehr hübsche, nur daß das alles in die Winde verhallt, weil niemand es aufschreiben kann. Worte weiß der Alte nur zu wenigen, immer nur ein oder den andern Vers. Mit einem will ich den Brief schließen. Es ist die Klage einer Geliebten: »Immer morgen, immer morgen, Willst Du nimmer die Geliebte sehen? Ihre Sehnen ach! verdorren Wie das Gras der taubedürft’gen Flur« Umarme die Kinder. Lebe tausendmal wohl. 109