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[   Band 2 Brief 46:    Humboldt an Caroline    Bilbao, 16. Mai 1801   ]


keine Art des Wertes für ihn. Im ganzen Reich der Gedanken ist
nichts, nichts, was das sein kann. Man knüpft eins an das andre
und wieder etwas andres an dies, und über der Menge verknüpfter
Dinge glaubt man, sie können sich gegenseitig halten und tragen,
aber was ist’s, die Augenblicke kommen, wo man fühlt, daß die ganze
Kette an nichts hängt, daß der erste Grund, der sie trägt, nur aus dem
Herzen hervorquillt. Ich empfinde das sehr oft. Wie dem physisch
Schwindelnden ist es mir oft moralisch. Nichts hilft mir alsdann,
wirklich nichts, liebe Li, als das Gefühl, das mich dann auf einmal
wie mit einer fremden tröstenden Kraft ergreift, daß Du mich liebst,
daß ich Dich liebe, und daß doch etwas ist, und wäre auch alles
andre nichts. Wenn Du nun nicht mehr wärst? wenn mich dann
nun auf der weiten Erde niemand mehr lieben wird? und ich von
niemandem werde geliebt sein wollen? Erinnere mich hier nicht an
die Kinder. Wie das Herz an ihnen hängt, wie sie uns lieben, es
ist ein anderes Gefühl und erhöht nur die Wehmut, statt einen Ersatz
zu gewähren. Die dunkle Empfindung, daß man nicht gemacht ist,
miteinander durchs Leben zu gehn, gibt dem Verhältnis zwischen
Eltern und Kindern, ohne daß man es immer selbst merkt, eine eigene
und wehmütige Stimmung. Solange sie Kinder sind, fühlt sich das
nicht. Aber hernach sind es die Abschiedsstunden vor einer weiten
Reise. Es ist etwas, das man sich gegenseitig verbergen will; die
Wünsche des Herzens und die Bestimmung der Natur sind nicht
mehr in Harmonie. Ich fühle wohl, daß man das nicht immer so
empfinden kann. Aber es gibt Augenblicke, in denen man ganz Glück
und Unglück empfindet, und das Dasein hat nur Wert, solange man
ihrer fähig ist. Bei meinem Aufenthalt in Durango, wo ich oft in
den Kirchen spazieren ging, ist es mir manchmal aufgeschossen, wenn
ich die eifrig Betenden sah, daß es wohl seinen Wert hat, seine Seele
an etwas zu hängen, was man nicht verlieren kann. Ich glaube,
der Mensch muß und wird dahin kommen. Wenn es ihm geglückt

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