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[ Band 2 Brief 42: Humboldt an Caroline S. Sebastian, 30. April 1801 ]
einer schmalen Spitze ins Meer gehn, sind öde, baumlos und von traurigem Ansehen. Es ist die verbrannte Mittagsseite der Bucht. So ist Frankreich hier auf eine charakteristische Art von Spanien geschieden, die für uns noch durch den dumpfen Glockenton vermehrt wurde, der von Fuenterrabia herübertönte. So schlecht sich die Gegend von Fuenterrabia aus der Ferne ankündigt, so reizend ist sie in der Nähe. Guetaria, 2. Mai Ich hatte nicht Zeit, gestern weiter zu schreiben, meine gute Li. Wir sind indes an der Küste weiter vorgerückt und bleiben heute die Nacht hier. Ich kann Dir nicht beschreiben, wie die Natur, in der ich jetzt vom Morgen bis zum Abend lebe, die große und zum Teil so reizende Gegend in dem Augenblick auf mich wirkt, wo die Abwesenheit von allem, was ich liebe, mich an sich weicher und jedem tieferen Gefühl empfänglicher macht. Fast ist mir’s manch- mal, als wäre ich in die Fremde gegangen, um tiefer und inniger in mir zu leben. Ich freue mich meiner Reise, der Natur, die ich sehe, der Gefühle, denen ich mich überlasse, aber daß ich nicht mit meiner teuren, inniggeliebten Li bin, daß sie nicht mit mir ist, gerade da ich einen schönen und großen Genuß habe, das ist mir schmerz- lich, und diese Wehmut ist mir süßer darum, weil sie aus dem einzigen Gefühl fließt, das mich durchs ganze Leben beglückt. Ich denke zurück an alle Jahre, die wir nun miteinander in getrennter und vereinter Liebe verlebten, ich denke Dich, wie ich Dich nie, auch nicht gegen Dich aussprechen kann, aber wie ich gewiß fühle, daß Du bist. Es ist mir besonders wieder so sehr aufgefallen, daß es schlechterdings kein menschliches Wesen gibt, an das der Gedanke sich so leicht, so freiwillig, so rein und voll an den Anblick der Natur anschließt. Die Verschmelzung der Menschlichkeit, die sich der Natur und dem Schicksal gleichsam hingibt und sie nun mit ihren Gefühlen begleitet, und des höheren Sinns, der sich immer 88