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[   Band 2 Brief 31:    Humboldt an Caroline    Berlin, 12. Mai 1797   ]


Wesen zu finden, mit dem ich mich innig verstände, dessen Glück
meine liebste Sorgfalt und dessen Liebe mein einziges Dasein würde.
Ich habe gefunden, wonach ich mich sehnte; ich habe das Höchste
genossen, was Menschen genießen können, und ich kenne kein Leiden
der Welt, in dem dies Bewußtsein mir nicht immer ein schönes und
stilles und genügendes Glück geben würde. — Du wirst mich viel-
leicht sehr ernst gestimmt finden, liebe Li, und ich kann nicht leugnen,
daß ich es bin, indes bin ich heiter, so heiter als ich sein kann, wenn
ich von Dir getrennt bin und nicht ohne Sorgen um Dich lebe.


32. Caroline an Humboldt                          Jena, 12. Mai 1797

Teurer, lieber Bill. Dein Brief und das Kistchen mit Spiel-
sachen sind glücklich angekommen. Ich werde aber den
Kindern alles erst an der Li ihrem Geburtstage schenken,
da des Bruders seiner doch einmal vorbei war, wäre es der armen
Kleinen zu schmerzhaft gewesen, wenn sie nichts bekommen hätte.
Das Warten lernen die Kinder gar schwer. Es geht mir leidlich.
Grüße Kunth, ich wünsche ihm Glück zu seiner Heimlichkeit und der
Gehaltsvermehrung. Er ist reicher wie wir. Er reist wohl gar mit
der Kleinen *) nach Pyrmont? Grüße diese tausendmal von mir. Ich
mag nicht sagen, wie weh es mir tut, die Kleine nicht zu sehen. Daß
Deine Gesundheit so gut ist, freut mich unaussprechlich, aber daß Du
so geplagt bist und teils aus Mangel an Zeit, teils aus Mangel
an Stimmung bei den heterogenen Beschäftigungen nicht am Aga-
memnon arbeiten wirst, tut mir sehr leid. Es ist weit besser, Du
hast Dir so wenig Honorar geben lassen und der Agamemnon wird
schön gedruckt, als umgekehrt. Die Mühe dieser Übersetzung und

———
*) Rahel.

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