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[ Band 2 Brief 6: Humboldt an Caroline Falkenberg, Donnerstag, 26. Julius [1792] ]
Lande von wo er nur eine Nacht zu mir hereinkam. Geändert finde ich nichts an ihm, das was Kies *) und Brinkmann erzählten, sind Kindereien. Seine Heirat stellte er mir erst von sonderbarer Seite vor. Das Verhältnis mit der Aktrice habe nicht gut anders gelöst werden können, sein Vater sei in ihn gedrungen, er müsse Ruhe haben, seinen herumschweifenden Geist auf wenige Gegen- stände heften. Den einzigen triftigen Grund sagte er nicht, aber ich las ihn unverkennbar in ihm, und er gestand ihn bald ein — er ist sterblich verliebt. Verzeih den Ausdruck, aber einen für Gentzen passenden andern kenne ich bis jetzt aus Erfahrung noch nicht. Natürlich wollte er meine Meinung wissen. Ich habe ihm gesagt, daß ich glaubte, die Neigung allein herrsche in dem Schritt, den er tue, die Neigung — und das hoffe ich wirklich — werde dauernd sein, und so zweifelte ich nicht an seinem und ihrem Glück. Die übrigen Argumente habe ich mit aller Stärke zu be- streiten gesucht. Ich kann es nicht leiden, daß man mit offenen Augen die Wahrheit nicht sehe, und sie liegt doch hier zu sehr am Tage. Gewiß empfindest Du das nicht anders als ich, es gibt für einen empfindenden Menschen nur Ein Glück, eine Heirat, wenn das ganze Wesen beider ewig in sie verwebt ist; es gibt aber auch für eben diesen Menschen nur Ein Unglück, eine Heirat, wo dies nicht der Fall ist. Wie man Ruhe in Sorgen und Glück in Fesseln suchen kann, dafür habe ich keinen Sinn. Ach, Li, ich rede so un- gern selbst mit Gentz von diesem Verhältnis, es kann mich auch eigentlich niemand verstehen, es hat ja niemand Dich besessen, und es vermag ja niemand nur von fern zu begreifen, was das ist, Dich zu besitzen. Ich muß mich dann herabstimmen, ach! und dann ist’s mir, als entweiht ich, was Du mich gelehrt hast! — Über das Äußere, sein Auskommen usw. sprach ich noch gar nicht. Ich mußte ——— *) Alexander v. Humboldt, 15