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[ Band 2 Brief 6: Humboldt an Caroline Falkenberg, Donnerstag, 26. Julius [1792] ]
Ich habe seit meinem letzten Briefe sehr einfach gelebt. Gleich —— denn ich erinnere mich, daß Du trotz meiner Briefe noch nichts von meinem Hiersein weißt —— als ich nach Berlin kam, traf ich Brinkmann *) bei seinem Hause, wo ich vorbei mußte. Er ging mit mir zu Bernstorff **), der den folgenden Tag abreiste, und ein paar Minuten darauf zu Kunth ***). Da blieb ich eine Viertel Stunde und ritt darauf nach Falkenberg. Du kannst denken, wie müde ich war nach der heißen Reise. Mama freute sich in der Tat sehr, und dies lindert die ganze Zeit meines Hierseins die Lange- weile. Den Abend wäre ich gern zu Bett gegangen, aber ein Gewitter und meiner Mutter Furchtsamkeit machte, daß ich erst um 12 Uhr zu Bett kam. Den folgenden Tag war ich hier und den Abend — recht als sollt ich keine Nacht ruhen — Brinkmann. Natürlich wurde die Nacht wirklich bis 3 Uhr durchplappert. Indes kann ich nicht leugnen, bin ich Brinkmann doch herzlich gut. Es ist doch eine so natürliche Güte, eine so wahre Anhänglichkeit an mich, vor allem aber eine so große Stärke und auch eine Regelmäßigkeit und Zu- verlässigkeit in ihm, die mir freilich um so lieber werden, je mehr ich beide in Gentz †) vermisse. Mit der Nacht verließ er mich. Am Abend ritt ich nach Berlin und war bis Montag früh dort. Seit Montag bin ich bis jetzt und noch heute abend ununterbrochen und allein hier. Heute abend gehe ich nach Berlin und Sonnabend nach Tegel, wohin meine Mutter auch kommt. Da bleibe ich bis Mitt- woch gegen Abend und komme bloß zum Wegreisen wieder nach Berlin. In Berlin ist mir nichts Interessantes aufgestoßen als Gentz. Er war nicht in Berlin, sondern bei seiner Braut auf dem ——— *) G. v. Brinkmann, nachmaliger schwedischer Gesandten Vgl. Bd. I, S. XI/XII. — **) Graf Christian Günther v. Bernstorff, nachmaliger preußischer Minister des Auswärtigen. — ***) Kunth, Erzieher der Hum- boldtschen Brüder. Vgl. Bd. I. — †) Friedr. v. Gentz, der bekannte Publizist und Staatsmann. Vgl. Bd. I. 14