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[   Band 1:    Einleitung   ]


Einleitung 

Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß zur
Zeit der letzten Regierungsjahre Friedrichs des
Großen Berlin der Sitz rationalistischer Bildung
und Aufklärung war. Unter dem Einfluß solcher
Ideen stand auch die Jugend der Brüder Wilhelm
und Alexander v. Humboldt. Sie hatten teils in
Berlin, teils auf dem benachbarten Landsitz Tegel ihre Kindheit
verlebt, die, ihren eigenen Erzählungen zufolge, des sonnigen Kinder-
glücks ganz entbehrte. Namentlich Wilhelms weiches Herz litt von
früh auf unter der Nüchternheit und Kälte, die ihn umgaben. Den
Vater, den er schwärmerisch liebte, verlor er früh. Die Mutter
scheint eine jener Naturen gewesen zu sein, die weder sich noch
anderen eine Gefühlsäußerung, vielleicht kaum ein lebhaftes Gefühl
selbst gestatten. Sie hatte mit keinem der Söhne innere Fühlung.
Daß sie ihnen gute Lehrer gab und hierfür keine Ausgaben scheute,
während sie im übrigen das Vermögen durch strenge Sparsamkeit
mehrte, sind die Verdienste, die man ihr zuerkennen darf.
Aus ihrer ersten Ehe mit Herrn v. Holwede hatte sie einen Sohn,
zu dessen Erziehung sie Joachim Campe ins Haus nahm. Dieser
später berühmte philanthropische Pädagog gab auch den beiden Hum-
boldtschen Söhnen den ersten Unterricht. Ihm folgte um die Mitte
der siebziger Jahre als Hofmeister der damals selbst erst zwanzig-


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