< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 1 Brief 152:    Caroline an Humboldt     [Erfurt],  Freitag morgen, 13. Mai 1791   ]


— wie mein Herz hoch aufzitterte, als ich das las. Sieben Tage
früher das gehoffte, einzige Glück des Lebens, o, das ist unaus-
sprechlich viel, und wenn Mama nicht dabei leidet und sonst nie-
mand — Gott, dankbar wie eine Gabe der ewigen Güte will ich’s
von Deiner Hand nehmen. Der arme Gentz und die Goltzen tun
mir weh. So wenig Dich auch die letztere vielleicht sah, ach, so
schmerzlich ist’s doch für ein liebendes Herz, nicht mehr die Nähe
des geliebten Gegenstandes zu ahnden, nicht mehr die Hoffnung zu
nähren, ihm irgendwo zu begegnen. Gott, es muß schrecklich sein, zu
lieben, Dich zu lieben, wenn man nicht auch in dem einzigen Gefühl
zu vergehen vermag — und Gentz —— er schmerzt mich, weil er so
treu an Dir hängt, weil er wohl nur durch Dich sich empfindet, sich
selbst versteht, und weil er Dich gewiß mit wehen Gefühlen um
Dein dauerndes Glück scheiden sieht. Aber dann — laß mich Dir
alle meine Sonderbarkeiten gestehen — daß niemand dies einzige
Glück ahndet, das Dein sein wird, wenn es je eines Menschen
war, selbst die nicht, die Dich tiefer kennen, das freut mich auch
wieder unbeschreiblich. Es ist mir, als wäre ein geweihter Schleier
darüber verbreitet. Nur vor den Augen der Liebe wird er sinken,
wie jeder vor ihrem heiligen Blick sank, der uns die Urgestalt
unsrer Seelen verbarg. O, Du wirst so glücklich sein, so einzig!
— und wenn ich das sage, das mit tiefer Gewißheit fühle, steht
schnell das ganze Bild unsres einsamen Lebens in Burgörner vor
mir. O, komm zurück, mein Wilhelm, mein trauter Geliebter, komm
zurück, daß einmal gegeben und genossen worden sei, was Menschen
zu geben und zu genießen vermögen! —
Es ist närrisch mit dem Bildchen, daß Carl und Alexander
es nicht mögen. Ich dachte darum um so mehr, daß es Carln ge-
fallen würde, weil es stolz aussieht und einen Zug von Melancholie
hat — nun aber, wenn’s nicht ist, kann ich nicht helfen. Hab Du
es nur immer lieb trotz der breiten Nase, und mit dem Mund

                                                                       456