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[ Band 1 Brief 146: Caroline an Humboldt [Erfurt], gegen 8 Uhr, Sonntag, 1. Mai 1791 ]
und jedes Schicksal sich den allwaltenden Empfindungen unsrer Herzen fügen. — Da schlägt es acht Uhr, und wie ich den Klang höre, wacht jede Erinnerung des Sonntages in mir auf, wo Du zu mir zurückkamst. Du hast mich in denselben Momenten wieder verlassen — ach, und wie verschieden bewegt ist nun Deine Seele und die meine von jenem Tage. — Aber sei ruhig, Du teures, einzig geliebtes, ach, so einzig liebendes Wesen — es geht eine neue Blüte aus diesen Stürmen in meiner Seele hervor — laß sie müh- sam sich aus ihrer Hülle winden, desto sorgsamer wirst Du sie hegen und pflegen, desto inniger wirst Du sie lieben und mit er- barmender Huld im Busen tragen. — Ach, diese Huld, dies Er- barmen der Liebe, wie ist es Hauptzug Deines Wesens geworden! Ich fühle Dich — wie nie ein Wesen das andre in sich trug, so trag ich Dich im anbetenden Herzen, Du einzig schönes, heiliges Wesen — aber noch vermag ich nichts loszureißen, nichts darüber zu sagen. —— Nur das, ach, nur das laß Dir noch einmal gesagt sein, daß ich nie glücklicher war, nie mir selbst schöner und harmonischer erschien, als wenn ich zu Deinen Füßen lag und in Deinem trunknen, schwimmenden Blick die Begeisterung Deiner Seele mir zurück- strahlte. — Ach, ich möchte nur, die Tage wären vorüber, wo ich Dich unterwegens denken muß. —— Ich bin ein Kind und werde es ewig bleiben. Ach, und diese Entfernung, die von Moment zu Moment zunimmt, reißt an meinem Herzen! Es will Dir nach und ereilt Dich nie, und Du entgehst mir wie eine Schattengestalt. Ich habe gedacht, es mit diesem Brief zu wagen und ihn nach Halle zu adressieren. Vielleicht gehn die Posten gut, und er kommt Diens- tag morgen, ach, und mein Bill hat dann doch eine Freude auf der Reise, die ihn von der einzig wahren seines Lebens trennt. — O, wie ich das fühle, geliebter Mann, und daß Du nur bist für mich, und wie es mich groß macht und stark und mich hebt in den 442