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[ Band 1 Brief 136: Caroline an Humboldt [Erfurt], 2. März 1791 ]
136. Caroline an Humboldt [Erfurt], 2. März 1791 Ich habe heut Dominikus *) gesehen. Ach, Wilhelm, wie tief und schmerzlich bewegte mich das Gefühl seines Leidens, wie viele Tränen weint ich, wenn er sich über meine Hand neigte und sie mit unendlichen Küssen bedeckte und in sprach- loser Empfindung an sein Herz drückte. Wie wein ich noch. — Er riß sich los, eilte fort, und wie wird’s ihm nun sein nach der so lang und ängstlich ersehnten Stunde? Ich fühlte den schreck- lichen Aufruhr in seinem Wesen und mußte an mich halten! Der unaussprechlichsten, glücklichsten Liebe Gefühl schwellte mein Herz und Erinnerung aller Wonne, die ich genoß — aus der meine Seele hervorging zu höherer Kraft — und nun vor mir dies gute, reine, sanfte Wesen, dem nie eine dieser Freuden werden wird, das sein Dasein verzehrt in hoffnungsloser Liebe und keine Blüte des Lebens in vollendeter Schönheit brechen wird. Mein Wesen ist durch Dich so einzig genährt von der Idee des Höchsten und Schönsten, meine Seele durch das Gefühl unsrer Liebe zur reinen, ewig neu auflodernden Flamme geworden — doppelt ergreift mich sein Elend. — Ach, so wahr ist’s, daß unser inneres Sein die Kreise bestimmt, in der unser Wesen ausströmt. Ich schloß ihn in meine Arme. Es war nicht mehr die konvulsivische Bewegung in ihm, die mich zittern machte, es war ein Vergehen im unaussprech- lichsten Schmerz. Er sah, daß ich’s fühlte, und lächelte. Ach, mein Wilhelm, daß ich mich an Deinem Busen hätte verbergen können — mein Innerstes war zerrissen. »Ich habe«, sagte er mit einer Art Ruhe, »nun keine Freude, keine Hoffnung mehr zu verlieren, denn ich erwarte nichts mehr.« Verzeih, verzeih, daß ich Dir von diesem Zusammensein mit Dominikus schrieb, aber nur Du hast eine Seele, es zu empfinden, nur Du kannst mir raten und ihm ——— *) Vgl. S. 236. 421