< zurück Inhalt vor >
[ Band 1 Brief 135: Humboldt an Caroline [Berlin], Sonntag abend, 27. Februar 1791 ]
mann wieder mit ihm zusammen. Aber ich sah ihn immer mit ihm, ich bemerkte wohl Verstand und Kenntnisse, aber doch nichts sonst, was mich eigentlich hinlänglich bei ihm beschäftigte. Den Abend, als Brinkmann abreiste, hatten wir in Gesellschaft gegessen und gingen nun zusammen zu Brinkmann. Ich wollte die Nacht da bleiben. Gentz ging mit, und das ärgerte mich. Er hatte gerade etwas geschrieben, das gedruckt werden sollte, und schien mir mit Anmaßung davon zu reden. Ich hatte mir längst vorgenommen, ihn in einem aus- führlichen Gespräch auf die Probe zu stellen, und aigriert, wie ich’s war, stritt ich nicht ohne alle Bosheit. Ich hatte einmal die Idee gefaßt, daß er sich etwas darauf einbilde, und glaubte ihn hindern zu müssen. Bill erzählt alles so unschuldig hin, Li muß aber auch nicht böse werden. Es wurde mir nicht schwer, seine Weisheit zu stürzen; denn nach dem ersten Anfang des Gesprächs mißtraute er selbst seinen Ideen, und so wurde mir das Streiten leicht. Dieser Abend, hat er mir erzählt, hat eine sehr große Wirkung auf ihn gehabt. Es hat ihn sehr gekränkt, aber, weil er mich sehr überlegen zu fühlen glaubte, auch mit größeren Ideen von mir er- füllt. Ich suchte ihn bald darauf auf, und wir sprachen nun öfter. Ich entdeckte immer mehr Geist und sprach nach und nach von den Ideen, die gerade am wenigsten Beweis vertragen und doch meiner Überzeugung so eigen sind. Er nahm ein so warmes Interesse, ging so tief in die Ideen ein, daß wir uns fester verbanden und fast täglich sahen. Und jetzt hat sich eine wirklich schwärmerische Liebe und Achtung für mich in ihm entwickelt. Wie weit das geht, davon hast Du in der Tat kaum einen Begriff. Wahrscheinlich siehst Du ihn diesen Sommer. Er hat Bekannte in Rotenburg und hat mir versprochen, hinzukommen. Er ist nicht geschmeidig genug, um aus dem Wege zu räumen, was den einen oder den andern bei ihm anstoßen könnte, aber wer ihn ganz sieht, muß ihn 419