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[ Band 1 Brief 124: Caroline an Humboldt [Erfurt], Sonntag abend, 6. Februar 1791 ]
wie erwacht schien ich mir aus einem schönen Traume — empfand mich nur ein gewöhnliches Geschöpf. Ach, da weint ich oft bittre Tränen, rief sie zurück, die Augenblicke glühender Begeisterung, schöner, blühender Kraft, und wenn alles vergebens war und ich dennoch mein Herz nicht loszureißen vermochte von dem heißen Verlangen nach überlebenden, namenlosen Freuden — wendete ich den Blick über das Grab. Zur Ahndung eines künftigen Daseins wurden mir jene Momente, in denen ich mein Wesen mit höheren Kräften erfüllt fühlte, entgegen der Zukunft, die dies unaussprech- liche Sehnen in mir stillen würde, wallte meine Seele. Nun — ach, noch ebenso schön und schöner noch hofft sie mein Geist, und dies Leben der Erde tönt mir in reicher Fülle, in entzückender Harmonie. Ich werde glücklich sein, denn ich werde glücklich machen. Schon hier wird mein Dasein in Götterfülle schwellen — schon hier in immer schöneren Blüten sich entfalten, denn Liebe, Liebe allein wird es weben! O, mein Wilhelm, trauter, geliebter Mann, wie werd ich je genug danken? Ach, man dankt nicht für Liebe, mein Leben aber wird vor Deinen Augen dahinfließen und jeder Moment für mich sprechen. Dienstag abend Deine Briefe sind heut morgen angekommen, mein Bill, und weil ich die Konstellation ganz gut fand, habe ich nicht gezögert, Papa den seinen zu geben. Ich sagte ihm dabei, daß er den Plan beträfe, von dem ich ihm gesprochen hätte, den Dienst zu verlassen. Er nahm ihn, las ihn aufmerksam durch; so genau ich ihn aber unterdessen beobachtete, könnte ich nicht sagen, daß ich einige Alteration in seinen Zügen wahrgenommen hätte. Wie er fertig war, wendete er sich zu mir und sagte: »Es ist eine Sache, die die reiflichste Überlegung verdient, denn man tut diesen Schritt nur einmal. Mir war es einmal ebenso, meine Mutter hielt mich da- mals zurück. Ich werde Wilhelmen schreiben, ihm sagen, was ich 388