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[ Band 1 Brief 124: Caroline an Humboldt [Erfurt], Sonntag abend, 6. Februar 1791 ]
124. Caroline an Humboldt [Erfurt], Sonntag abend, 6. Februar 1791 Nur noch ein Wort, eh ich mich niederlege. Ach, ich bin wie die Kinder, die man mit Gesängen in den Schlaf wiegt, so muß ich mein Herz zur Ruhe lullen, und wenn ich einen Abend Dir nicht schreiben, Dir, wär es auch nur ein Wort, sagen kann, ach, da fehlt ihm alles. Lang stand ich am Fenster und atmete die frische, reine Luft, hielt Dein liebes Bild und dachte, ach, vielleicht irrt er umher in der großen, ihm so ein- samen Stadt, blickt zu euch auf, ihr schönen Sterne, hängt mit nassem Auge an dir, leuchtender Wagen, und fordert sein Mädchen von euch, von dir, einsame Nacht. Die Glücklichen, sie sehen Dich, indessen ich weine. — Ach, verzeih, süßes, holdes Wesen, verzeih meine Tränen, wohl sehen sie Dich, aber doch bin ich glücklicher. Dieser einzigen Liebe heilige, nie ausgesprochene Glut schwellt mein Herz mit Götterfülle. Li ist die Glücklichste ihres Geschlechts, ach, genieße ganz das wonnevolle Bewußtsein, sie dazu gemacht zu haben. — Laß es mich sagen, denn es ist ja meines Herzens tiefes Ge- fühl. O, gegen Dich darf ich alles aussprechen, denn meine Emp- findungen sind nur der reine Widerhall der Deinen. Das mußte ich fühlen, mein eignes, aber schöneres Selbst mußte ich in dem Manne meiner Liebe wiederfinden, um daß mir die geheimen Wünsche meines Herzens nicht verwegen erschienen, um daß sich meine Seele immer tiefer vor ihm entfalte, vor ihm lebe in allen, allen Gestalten. Ach, ich wußte wohl, der mir dies Leben der Freiheit an seiner Seite gäbe, würde nicht alles vermissend an der meinen bleiben, doch faßte mein Herz nie die Hoffnung, solch ein Glück außer sich zu schaffen, wie das ist, mit dem ich Deine Seele erfüllt fühle. In Momenten trunkenen Entzückens schwebte es mir wohl vor, aber wenn ich es klarer zu fassen strebte, verschwand es, 387