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[ Band 1 Brief 115: Caroline an Humboldt [Erfurt], den 9. Januar 1791, ]
anzuknüpfen.« — Sie klagt über dasselbe in ihm und weint oft an meinem Herzen. Und ich, ach, Bill, wie mir ist in dieser Lage zwischen ihnen beiden, in dem Gefühl seliger Klarheit, die über meiner Liebe schwebt, in dem rastlosen Streben, das Höchste in jedem Verhältnis zu erringen, weil nur daraus das Schönste her- vorgeht, und dann doch in allem Schmerz, der mich erfüllt — nein, ich mag es nie aussprechen, wie es sich auf- und abtreibt in diesem Herzen und wogt vom Jammer zur lichten Ahndung des reinsten Glückes. So oft muß ich mich von den beiden mir so teuren Geschöpfen wenden und weinen und Deinen Namen nennen und Dein Bild an mein Herz drücken. Jeder schöne, verlorene Genuß, jede Unterdrückung der liebsten, eigensten Empfindungen bewegt mich so unendlich schmerzlich und doppelt, doppelt, seitdem Liebe mir die Seele so aufschloß, daß ich mit geläutertem Blicke tiefer in das Wesen der Dinge sah und sie, die heilige, allbelebende Liebe überall als liebende Führerin erblicke. — Montag morgen 10 Uhr . . . Ich soll Dir sagen, gibt mir Lili auf, daß das Verliebt- sein auf den höchsten Grad wäre, und wir wüßten nicht mehr aus noch ein, und es wäre uns oft bange für den Verstand einer der andern. Für das bißchen Verstand, denn ach, Bill, es geht recht mit mir zur Neige — Du begreifst’s gar nicht, wie dumm das Kind ist, wie es die gemeinsten Dinge oft nicht versteht und immer weniger in etwas Äußerem zu leben vermag. Ach, zürne aber nicht, Li wird wieder klug werden, wenn sie erst wieder zu Deinen Füßen sitzt und aufschaut und ihr ihr Bild schöner ans dem blauen Auge ihres Geliebten zurückstrahlt. Werd ich wieder so sitzen? O, gewiß, ich werde — Dich werd ich wieder halten in diesen Armen, und die süßen Tränen der Freude werden wieder an Deinem Busen fließen. Mein Bill, mein Alles, o, denke oft an den April, schreibe mir, sobald Du es kannst, um welche Zeit herum Du in 359